Wien – Der mittlerweile 22-jährige Afghane, der am 18. September 2017 in Wien-Favoriten seine jüngere Schwester mit einem Kampfmesser getötet hatte, um die Ehre seiner Familie wiederherzustellen, muss lebenslang hinter Gitter. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat am Donnerstag das Urteil in einer rund 20-minütigen Verhandlung bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte Ende Oktober 2018 in nichtöffentlicher Sitzung die Nichtigkeitsbeschwerde des Mannes zurückgewiesen. Der Schuldspruch des Wiener Landesgerichts für Strafsachen wegen Mordes vom August 2018 ist seither rechtskräftig. Am Donnerstag hatte das OLG zu klären, ob dem Vorbringen von Verteidiger Nikolaus Rast entsprochen wird, der sich für eine Strafmilderung stark gemacht hat. Seine Kollegin, Anwältin Susanne Kurtev, betonte bei der Verhandlung am Donnerstag, ihr Mandant sei jung, unbescholten und geständig gewesen.

"Archaische, patriarchalische Struktur"

Der Senat war allerdings der Überzeugung, dass aus generalpräventiven Gründen die Strafhöhe nicht geändert werden könne. Eine solche "archaische, patriarchalische Struktur hat bei uns keinen Platz", sagte Senatsvorsitzende Natalia Frohner in ihrer Urteilsbegründung. Als Erschwerungsgrund wurde die Heimtücke hinzugefügt. Der junge Mann habe seine Schwester in einen Hinterhof gelockt und sie mit mehreren Messerstichen regelrecht niedergemetzelt, sagte Frohner.

Der spätestens am 29. Mai 1996 geborene Täter – er selbst behauptet, er sei am 1. Jänner 1999 zur Welt gekommen ("Dieses Alter wurde mir von meinen Eltern gesagt"), wurde dabei aber vom anthropologischen Gutachter widerlegt – hatte mit einem Kampfmesser mit einer Klingenlänge von circa 20 Zentimeter auf seine 17 oder 18 Jahre alte Schwester eingestochen. Er fügte ihr insgesamt 28 bis zu acht Zentimeter tiefe Schnitt- und Stichwunden zu, wovon mehrere für sich genommen tödlich waren. Die junge Frau hatte nicht die geringste Überlebenschance.

In Krisenzentrum geflüchtet

Das Mädchen war im Juli 2017 in ein Krisenzentrum nach Graz geflüchtet, nachdem es zu Hause wiederholt zu Handgreiflichkeiten gekommen war. Ihr Vater und – angeblich auf dessen Anweisungen hin – der ältere Bruder sollen sie geschlagen haben. Die Schülerin lehnte sich immer stärker gegen die väterlichen Vorgaben – sie durfte ohne Begleitung nicht außer Haus und musste Kopftuch tragen – auf. Auch einen ersten Freund dürfte es bereits gegeben haben.

Auf Bitte ihrer Familie kehrte sie schließlich nach Hause zurück. Die Lebensumstände dürften sich dort jedoch nicht gebessert haben. Am 14. September – und damit vier Tage vor ihrem Tod – flüchtete das Mädchen erneut, diesmal in ein Krisenzentrum in Wien. Den Betreuern erzählte sie, sie hätte Angst vor ihrer Familie. Ihr Vater wolle mit ihr nach Afghanistan fliegen, um sie gegen ihren Willen zu verheiraten.

Am 18. September passte sie dann ihr älterer Bruder in der U-Bahn-Station Reumannplatz ab, als sie in die Schule wollte. Seinen Angaben zufolge wollte er sie überreden, wieder nach Hause zu kommen. Als die Schwester nicht mit sich reden ließ und ihm einen Stoß versetzte, zog er in einem Innenhof in der Puchsbaumgasse ein Messer und tötete sie. (APA, 14.2.2019)