Wien – Die türkis-blaue Regierung hat Strafrechts-Verschärfungspläne angekündigt. Wichtige Details aber fehlen. Das gilt zum Beispiel auch für eine geplante Änderung geltender Regelungen der ärztlichen "Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht" bei Verdachtsmomenten. "Wir haben noch keine Details. Die Tücke liegt aber im Detail", sagte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres am Freitag.

Im türkis-blauen Positionspapier, das am Mittwoch im Ministerrat angenommen wurde, heißt es zum Thema: "Änderung des § 54 Ärztegesetz 1998 zur besseren Vernetzung involvierter Institutionen. Ein rascher Datenaustausch zum Zwecke des Opferschutzes zwischen in Verfahren involvierten Institutionen – wie Jugendwohlfahrtträger, Justiz, etc. – ist überaus wichtig und muss durch die Änderung des § 54 Ärztegesetz 1998 rechtlich möglich gemacht werden."

Allein, die in heftige Diskussion gekommene Ankündigung muss laut dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer derzeit jeder seriösen Grundlage entbehren: "Was das Innenministerium da will, weiß ich nicht." Dazu müsste irgendein Gesetzesvorschlag vorliegen. Und der müsste aus dem Gesundheitsministerium kommen, weil das Gesundheitsministerium mit FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein für das Ärztegesetz zuständig ist.

Lücken bei der Schweigepflicht

Die umgangssprachliche sogenannte "ärztliche Schweigepflicht" ist nie allumfassend. Paragraph § 54 des Ärztegesetzes aus dem Jahr 1998 beinhaltet deshalb drei Themen: "Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht" von Ärzten. "Der Arzt und seine Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet", heißt es darin.

Einschränkungen hat es praktisch immer schon gegeben. So bestand praktisch seit Einführung der Krankenversicherung keine Verschwiegenheitspflicht, "als die für die Honorar- und Medikamentenabrechnung gegenüber Krankenversicherungsträgern, Krankenanstalten, sonstigen Kostenträgern oder Patienten erforderlichen Unterlagen (...) überlassen werden."

Warum die Bundesregierung am § 54 Ärztegesetz im Umfeld einer geplanten Novellierung strafgesetzlicher Bestimmungen etwas ändern will, kann aus Mangel einer Begründung in dem Positionspapier vorerst nicht beurteilt werden. Anzeige- und Meldepflichten für Ärzte existierten rund um Verdachtsmomente auf schwerste strafbare Handlungen schon bisher.

Anzeigepflicht

"Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde, so hat der Arzt (bis auf Einschränkungen vor allem wegen verwandtschaftlichen besonderen Naheverhältnisses bei Minderjährigen; Anm.) der Sicherheitsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. Gleiches gilt im Fall des Verdachts, dass eine volljährige Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist", heißt es in der geltenden Fassung.

Auch beim Verdacht der Misshandlung oder des Missbrauchs von Minderjährigen greift eine Einschränkung ein: "Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist, so hat der Arzt Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten. Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen (§ 166 StGB), so kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt." Bei vorsätzlich begangener schwerer Körperverletzung muss der Arzt auf Opferschutzeinrichtungen hinweisen, bei Minderjährigen als Opfer muss eine Meldung an die "Kinder- und Jugendhilfeträger" geschehen.

Pragmatik

Ärztekammerpräsident Szekeres sieht die Sache vorerst pragmatisch: "Uns war immer klar: Opferschutz geht vor Datenschutz. Aber man muss vorsichtig sein." Die Ärztekammer werde sich nicht gegen eventuelle sinnvolle Änderungen wehren. Das müsse man sich aber genau ansehen. Geschützt werden müssen die Informationen des Einzelnen – aber wohl nicht, wenn dies zum dazu unverhältnismäßigen Schaden Anderer geschieht. (APA, 14.2.2019)