Istanbul/Köln – Der wegen Terrorvorwürfen in der Türkei angeklagte Kölner Adil Demirci kommt nach rund zehn Monaten in Untersuchungshaft frei. Der Richter entschied am Donnerstag auf Empfehlung des Staatsanwalts, Demirci unter Auflagen aus dem Gefängnis zu entlassen. Nach Deutschland darf er aber nicht ausreisen, auch die Provinz Istanbul darf er nicht verlassen.

Demircis Anwälte hatten vergebens darauf aufmerksam gemacht, dass dessen Mutter in Deutschland schwer krebskrank ist. Der Prozess soll am 30. April weitergehen.

"Halber Sieg"

Noch am Donnerstagabend werde Demirci das Gefängnis im Stadtteil Silivri verlassen dürfen, sagte sein Anwalt Keles Öztürk der Deutschen Presse-Agentur. Aus Deutschland angereiste Prozessbeobachter reagierten mit Erleichterung. Im Saal waren neben Generalkonsul Michael Reiffenstuel unter anderen der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich, der Kölner Linkspartei-Politiker Jörg Detjen und der Schriftsteller und Journalist Günter Wallraff gesessen.

Wallraff sagte, es sei gut, dass Demirci nun erst einmal auf freiem Fuß sei. Aber das sei ja noch kein Urteil und keine Entwarnung, sondern das Gericht gewinne erst einmal Zeit bis zu einer endgültigen Entscheidung. Detjen nannte das Ergebnis "einen halben Sieg". Sabine Skubsch, die ebenfalls angereiste Betriebsratsvorsitzende des Internationalen Bundes, für den Demirci bis zu seiner Verhaftung jugendliche Migranten beraten hatte, sagte, dort hätten 14.000 Kollegen mitgefiebert. "Ich bin betrübt, dass er nicht ausreisen kann. Das bedeutet natürlich Familientrennung. Das ist sehr traurig, wenn man weiß, wie schlecht es der Mutter geht."

Terrorvorwürfe

Demirci, der laut Gerichtsakten sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit hat, war im April während des Urlaubs in Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Mitgliedschaft in der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation. Demirci, der auch für die linke Nachrichtenagentur Etha geschrieben hat, wies die Vorwürfe zurück.

2017 hatte eine ganze Serie von Festnahmen deutscher Bürger zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Ab Ende 2017 kamen dann mehrere prominente U-Häftlinge – darunter der "Welt"-Reporter Deniz Yücel, der Menschenrechtler Peter Steudtner und die Journalistin Mesale Tolu – frei und durften ausreisen. Damit entspannte sich das Verhältnis leicht. Deutsche Regierungsvertreter haben mehrfach gesagt, dass es keine vollständige Normalisierung der Beziehungen geben könne, solange noch Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert seien.

Am Mittwoch hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt, dass derzeit 47 deutsche Staatsangehörige in der Türkei inhaftiert seien. Nicht in allen Fällen sei eine abschließende Beurteilung der Verfahren möglich, weshalb eine binäre Einordnung in "politischer Fall" und "nichtpolitischer Fall" nicht immer eindeutig möglich sei. (APA, 14.2.2019)