Risikomanagerin Barbara Steiger: "Mathematik ist die schönste Sprache der Welt, weil sie Dinge sehr einfach und klar ausdrücken kann. Eine Formel sagt mehr als fünf Seiten Text."

Foto: ÖBV / C. Liefeld

"Zu überprüfen, wenn ein Kunde uns einen Antrag schickt, ob und zu welchen Bedingungen wir ihn annehmen: Das ist, was jeder glaubt, was wir tun. Dafür sind aber andere zuständig. Was wir Risikomanager tatsächlich machen: Wir schauen darauf, dass das Überleben des Unternehmens langfristig gesichert werden kann. Wir berechnen etwa, wie es sich auf die Bilanz, auf Kosten, auf Verträge auswirkt, wenn Zinsen steigen oder fallen, wenn Aktien einbrechen oder eine Immobilienkrise droht.

Ich mag es sehr, an abstrakten Problemen herumzutüfteln, Probleme immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Zu meinem Job gehört aber auch Psychologie, zu wissen, wie man den Menschen entgegenkommen kann und dass zufriedene Mitarbeiter auch leistungsfähiger sind. Es sind oft kleine Dinge, die ihnen wichtig sind: Der eine möchte beispielsweise im zweiten und nicht im ersten Stock sitzen, der andere auf keinen Fall zu nahe am Kopierer. Auch darauf zu achten ist neben der Mathematik eine meiner Aufgaben.

Begeistert von Zahlen

Die Begeisterung für Zahlen hatte ich schon als Kind. Das hat definitiv mein Vater gefördert, der ebenfalls begeistert von Zahlen ist. In der Schule haben wir immer gehört: Die Mathematik ist das Einzige, wo es schwarz-weiß gibt, richtig oder falsch. Das schien mir immer eine naive Annahme. Im Studium lernt man dann, dass es eine sehr große Grauzone gibt, und genau die macht es spannend. Ein Großteil der Mathematik basiert auf der Philosophie. Es wird bei uns deshalb auch viel philosophiert. Das Verständnis, wie etwas zustande kommt, das Hineingraben in die Details ist der Job von uns Risikomanagern.

Studiert habe ich an der Technischen Universität Wien, mein Schwerpunkt lag auf der Wirtschaftsmathematik. Am Ende der Ausbildung hatten wir ein sechs-wöchiges Praktikum zu absolvieren. Ich habe mich also auf die Suche gemacht, war offen für alles – und bin schlussendlich bei einer Versicherung im Risikomanagement gelandet. Als das Praktikum zu Ende war, bekam ich dann das Angebot, dort Vollzeit anzufangen, und habe das auch getan.

Zeiten zum Abschalten

Nach knapp drei Jahren habe ich beschlossen, den Arbeitgeber zu wechseln. So bin ich bei der ÖBV gelandet. Wir sind ein auf Gegenseitigkeit beruhender Versicherungsverein und das ist schon etwas Besonderes.

Im September bin ich neun Jahre hier. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, auch über mich selbst. Ich habe mir eine dicke Haut zugelegt, die man für diesen Job auch braucht. Der Grund ist, dass man als Risikomanager nie die positiven, sondern immer nur die negativen Dinge der Welt sieht, also quasi den ganzen Arbeitstag über nur mit Negativität konfrontiert ist. Damit muss man umgehen können, damit man nicht blind wird für das Schöne der Welt.

Meine Strategie, um abends davon loszukommen: Ich ziehe mir die Sportschuhe an und laufe mit Musik im Ohr los. Dabei kann ich hervorragend abschalten. Es gibt Führungskräfte, die nur mehr für die Arbeit leben. Das ist nicht gesund. Ich nehme mich selbst an der Nase und gehe nach acht oder neun Stunden wirklich nach Hause. Im Urlaub hebe ich auch das Telefon nicht ab, außer es rufen Kollegen an, mit denen ich eng zusammenarbeite. Um meinen Job gut zu machen, brauche ich einfach auch Zeiten, in denen ich nicht für die Arbeit erreichbar bin." (Protokoll: Lisa Breit, 21.2.2019)