Wolfgang Fellner: Garantiert exklusiv ist die Berichterstattung von "Österreich", wenn es um die Anhimmelung des Bundeskanzlers geht.

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Seit es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Auslegeware "Österreich" vor dem Österreichischen Presserat als nicht mehr satisfaktionsfähig zurückgewiesen wird, hat sich Wolfgang Fellners Ehrgeiz ein neues Ziel gesucht: Er will es zum Waldhäusl des heimischen Journalismus bringen und hat damit Erfolg. Mit ähnlicher Hartnäckigkeit, wie sie der freiheitliche Gastwirt in die Verbringung jugendlicher Migranten hinter Stacheldraht investiert, konstruierte er sich neulich das Forum des "Standard" als einen medialen Augiasstall, um am Dienstag dieser Woche, nachdem bis dahin niemand seinen Geruchs halluzinationen besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte, neuerlich auszuholen: "Standard" sorgt für Empörung.

Der Schuldige war rasch gefunden. "Standard"-Chefredakteur M. Kotynek sorgte mit Blattaufmacher für Empörung und wurde dafür mit der Abbildung seines Porträts in unmittelbarer optischer Nähe von Kurz und Kneissl bestraft. Der Hergang seines Verbrechens laut "Österreich" war so: Am Wochenende gab die Regierung bekannt, dass sie die Strafen bei Gewaltverbrechen verschärfen wird. "Österreich" berichtete am Sonntag über dieses Vorhaben. "Der Standard" reagierte am Montag – scheinbar "beleidigt", weil er die Story verpasst hatte (und weil er sonntags bekanntlich nicht erscheint) – mit einer fragwürdigen Titelzeile. In seiner Montagsausgabe titelte das rosarote Blatt: "Scharfe Kritik an härteren Strafen für Sexualverbrecher".

Hysterie als Geschäft

Um wie viel "beleidigter" muss erst die "Wiener Zeitung" – um nur eines von so gut wie allen anderen Blättern zu nennen, die Kritik an der Strafrechtsverschärfung berichteten – gewesen sein! Sie titelte gar erst am Dienstag: Scharfe Kritik an Strafrechtsreform. Man wagt sich die grenzenlose Empörung der User des Amtsblatts gar nicht vorzustellen, und schon gar nicht, wie diese einem streng waldhäuslerischen Geist entgehen konnte. Umso eifriger widmete der sich der Lektüre der Postings im "Standard". Im Internet löste der "Standard"-Blattaufmacher jedenfalls Empörung aus. Das sollten sich vor allem die Strafrechtssexperten, deren Kritik an der Rechtsverschärfung "Der Standard" wiedergegeben hat, hinter die Ohren schreiben. Wenn schon die Kritik an der Sache verwerflich erscheint, um wie viel verwerflicher muss dann erst die Berichterstattung über die Kritik in den Augen jener sein, die mit der kriminellen Hysterie ihr publizistisches Geschäft betreiben!

Als Kronzeugin für dieses Geschäftsmodell holte er sich ausgerechnet die ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler. Sie reagierte mit Unverständnis auf die Kritik.

"Exklusiv"

Da niemand den von Fellner produzierten Unsinn aufnehmen wollte, kann er sich mit bestem Gewissen auf dessen Exklusivität berufen. Das ist nicht immer der Fall. Zwei Tage später, am Donnerstag, musste er in "Österreich" – exklusiv – einen Text des Handelsgerichts Wien veröffentlichen, in dem er, beziehungsweise seine Mediengruppe "Österreich" GmbH, als beklagte Partei schuldig gesprochen wurde, im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine "Exklusivität" der von ihr verbreiteten Inhalte zu behaupten, wenn dies nicht den Tatsachen entspricht, insbesondere wenn fälschlich behauptet wird, die Tageszeitung "Österreich" hätte exklusiv über einen Korruptionsskandal berichtet. Sich an die Wahrheit zu halten, ist freilich viel verlangt.

Garantiert exklusiv ist die Berichterstattung von "Österreich", wenn es um die Anhimmelung des Bundeskanzlers geht. Kurz: Der rastlose Kanzler. ÖVP-Chef jettet um die halbe Welt, hieß es am Montag auf dem Titelblatt, mit Foto. Kanzler Rastlos: 5 Stunden Schlaf, ging es dann im Blattinneren weiter. In den nächsten zwei Wochen absolviert Kurz insgesamt 37.000 Flugkilometer, diesmal nicht als ÖVP-Chef. Voller Terminkalender, keine Zeit für Freizeit – und keine Lust auf Herumgerede. "Ich schaue, dass es zumindest fünf Stunden werden, antwortet Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Instagram auf die Frage "Wie viel Stunden Schlaf haben Sie pro Nacht?".

Tatsächlich scheint Sebastian Kurz rastlos zu sein. Auch seine Arbeitstage in Wien lassen kaum Zeit zum Verschnaufen. Wird er frühmorgens abgeholt – oft geht es vor dem Büro noch schnell ins Fitnesscenter – brieft ihn bereits einer seiner engen Mitarbeiter über die Termine des Tages und klärt ihn über die Medienberichterstattung auf.

Kein Wunder, dass er auf Wiener sauer ist, die lange schlafen. (Günter Traxler, 16.2.2019)