Screenshot: Far Cry: New Dawn
Screenshot: Far Cry: New Dawn
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Screenshot: Far Cry: New Dawn

In Hope County, Montana, hat man es nicht leicht. Zuerst macht sich eine gefährliche Sekte breit, dann bricht ein Atomkrieg aus, und kaum machen sich die Menschen nach dem Abklingen der gröbsten Verstrahlung an den Wiederaufbau, kommen zwei verrückte Schwestern und unterjochen mit ihrer Gefolgschaft die Menschen erneut. Doch ein Freiheitskämpfer namens Thomas Rush stellt sich ihnen entgegen.

Doch sein Konvoi wird überfallen, Rush entführt, und nur der Spieler, der Sicherheitschef, kommt davon. Er – und die Bewohner des "gallischen Dorfes" namens Prosperity – nehmen den Kampf gegen die Unterdrücker auf. Willkommen im Szenario von Far Cry: New Dawn (PC, Xbox, PS4).

Xbox

Alles bunt

Die Postapokalypse, die dieses Spiel erzählt, ist knallbunt. Nicht einmal zwei Jahrzehnte nach dem Krieg hat sich die Natur hier ihren Platz zurückerobert. Farbintensive Blumen und andere Pflanzen finden sich ebenso überall wie eine recht lebendige Fauna. Dazu gesellen sich die Zwillingsschwestern Mickey und Lou, die eine offenkundige Vorliebe für Neonpink haben, den dominierenden Farbton der Befestigungen ihrer Fraktion.

Doch abseits des widerständigen Prosperity müssen sie und ihre "Highwaymen" sich im Verlauf des Spieles auch mit zwei anderen Fraktionen ärgern. Ein Comeback feiert auch Joseph Seed, der Antagonist von Far Cry 5, zu dem sich New Dawn als Stand-alone-Fortsetzung versteht.

Aufbau und Eroberung

Das Spielprinzip ist gleich geblieben: Man sucht in der offenen Welt Ressourcen, erobert Stützpunkte, befreit Verbündete und rüstet die eigene Basis auf. Auf Wunsch mit dabei ist ein computergesteuerter Kämpfer. Der ursprünglichen Begleiterin Carmina gesellen sich weitere hinzu, die aber erst einmal befreit werden wollen.

Das stückweise Befreien der Landstriche ergänzt das Game mit Expeditionen, die besonders reiche Ressourcenausbeute versprechen. Sie führen weg von der eigentlichen Spielkarte auf eine separate Map, auf der es gilt, einen Rucksack zu stehlen und anschließend den Landeplatz des Hubschraubers zu verteidigen, der einen abholt. Fortgeschrieben wird die Geschichte des Spiels aber ausschließlich über dezidierte Storymissionen. Wer möchte, kann da Abenteuer dank integrierten Online-Koops zu zweit bestreiten.

Was ist gelungen?

Grafisch gefällt das farbenfrohe Gegenstück zum typisch kahlen Wüstenwasteland und lädt zum Erkunden ein. Die Welt wirkt lebendig und glaubwürdig, auch wenn unbeeindruckt neben den Basen der Highwaymen spazierende Zivilisten gelegentlich für Stirnrunzeln sorgen. Auch das Charakterdesign der wichtigsten Figuren überzeugt. Die gelebte Bösartigkeit der beiden Schwestern ist ähnlich schrill wie ihr Farbgeschmack, und auch die Familie Rye, die den Laden in Prosperity schmeißt, fügt sich gut in die Geschichte ein.

Auf technischer Ebene ist Far Cry: New Dawn ebenfalls stark umgesetzt. In Basen herumzuspringen und zu klettern funktioniert einwandfrei. Erreichbar aussehende Kanten sind es in der Regel auch. Die Handhabung der Waffen klappt ebenfalls gut. Zur Verfügung stehen relativ konventionelle Schlag- und Schusswaffen, aber auch wunderbar freakige Geräte wie eine Sägeblattarmbrust, deren Verwendung viel Spaß macht.

Last but not least gefällt auch die Soundkulisse. Waffen klingen angemessen laut und kräftig. Auch Umgebungsgeräusche und Tierlaute bereichern die Atmosphäre, ebenso wie die Musikuntermalung.

Was ist weniger gelungen?

Auch hier muss der Sound erwähnt werden, genauer gesagt: die KI-Begleiter. Diese wiederholen sich nicht nur sehr oft, sondern äußern sich gerne auch völlig unpassend – etwa indem sie behaupten, gerade beschossen zu werden, obwohl weit und breit kein Feind unterwegs ist.

Dazu sind die Verbündeten auch nicht besonders klug. Das wird aber etwas dadurch ausgemerzt, dass auch die Gegner keine besonderen Leuchten sind. Sie können zwar Deckungen verwenden und scheinen manchmal zu versuchen, den Spieler einzukreisen. Ihr Verhalten schwankt aber zwischen kompletter Berechenbarkeit und suizidalen Tendenzen. Dementsprechend werden sie nur gefährlich, wenn sie zahlreich oder sehr schwer bewaffnet sind.

Viele Herausforderungen, beispielsweise die Befreiung einer Basis, lassen sich theoretisch auch vorsichtig lösen. Wer alle Gegner eliminiert, ohne entdeckt zu werden, bekommt ein paar Zusatzressourcen. Praktisch endet aber fast jeder Versuch aufgrund der Menge an Gegnern letztlich doch in einer hektischen Schlacht.

Ärgerlich ist auch, dass es keine wirklich freie Speicherfunktion geht. Gescheiterte Missionen muss man von vorne beginnen. Dafür kommt ein Heilungssystem ins Spiel, das sich sehr leicht ausnutzen lässt. Wird man eine kurze Zeit nicht getroffen, regeneriert sich der Lebensbalken wieder. Muss es schneller gehen, helfen Medizinkoffer im Inventar, während deren Verwendung man scheinbar unverwundbar ist.

Zu guter Letzt verpflichtet das Spiel einen auch de facto, bestimmte Aufträge abseits der Storymissionen zu erledigen, bei denen es sich um recht repetitive Ressourcenjagd handelt. Denn man braucht sie zur Herstellung verschiedener Waffen und Fortbewegungsmittel. Wer sich das ersparen und lieber auf Handlung und interessante Nebenquests konzentrieren will, muss Geld einwerfen. Gegen Echtgeld kann man Far Cry Coins erhalten, über die man wiederum Rohstoffpakete erhält. Ob das Gameplaymanko erst zu diesem Zweck geschaffen wurde oder nicht, sei dahingestellt. Die Existenz eines "Pay2Win light"-Mechanismus bereitet Sorge ob des zukünftigen Wegs der Reihe.

Fazit

Wenngleich die obige Mängelliste deutlich länger erscheint als die Aufzählung der positiven Aspekte, ist Far Cry: New Dawn im Kern ein solider Mainstreamshooter. Wer knackige Herausforderungen sucht, die nicht nur aufgrund ihrer Gegnermengen eine solche sind, ist hier fehl am Platz.

Wer sich an den "erleichternden" Features und der schwachen KI nicht stört, findet hier stundenlange Unterhaltung. Dafür bürgt das Game mit viel grafischer und erzählerischer Atmosphäre und einem originellen Szenario. Egal ob Casual-Freund oder Action-Gourmet: Dass sich Ingame-Ressourcen gegen Echtgeld erwerben lassen, sollte zu denken geben, auch wenn man sich damit "nur" von repetitiven Sammelmissionen freikaufen und sich einen Vorteil gegenüber dem Computerfeind verschaffen kann. (Georg Pichler, 18.2.2019)