Der Großteil der Betroffenen war in der Zeit des Übergriffes sechs bis zwölf Jahre alt.

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Wien – 27.260.000 Euro: Diese Summe wurde seit Bestehen der von Kardinal Christoph Schönborn beauftragten "unabhängigen Opferanwaltschaft" für Betroffene von sexuellem Missbrauch durch die katholische Kirche gezahlt.

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In 1974 Fällen erkannte die Kommission unter der Leitung der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic zwischen 2010 und Ende 2018 Hilfeleistungen zu, wie aus dem aktuellen Bericht der Kommission hervorgeht. Laut einem Sprecher wurde der Großteil aller Fälle, die der Anwaltschaft zugetragen wurden, positiv entschieden. Die Kirche folgte allen Beschlüssen der Kommission. Sie zahlte finanzielle Hilfeleistungen in der Höhe von mehr als 21,726 Millionen Euro direkt aus und kam für rund 60.000 Therapiestunden um insgesamt 5,533 Millionen Euro auf.

Die Kommission sieht vier Entschädigungsstufen vor, die Dauer, Schwere und Folgen der Übergriffe berücksichtigen: 5000, 15.000, 25.000 Euro sowie in besonders schweren Fällen darüber hinausgehende finanzielle Hilfeleistungen werden gezahlt.

Mehrheit der Opfer Männer

In einem Statement gegenüber der APA erklärte Klasnic, "wirksame Hilfe für alle Betroffenen, Aufarbeitung der Fälle, konsequente Maßnahmen gegenüber Tätern und vor allem die Prävention" müssten weiter im Mittelpunkt stehen. Die öffentliche Diskussion sei ein steter Weckruf und trage zur unbedingt notwendigen weiteren Sensibilisierung bei: "Im Kampf gegen Missbrauch und Gewalt kann und darf es keinen Schlussstrich und kein Erlahmen geben."

66,4 Prozent – und damit rund zwei Drittel – der Betroffenen, die sich zwischen 2010 und Jahresende 2018 gemeldet haben, sind laut Statistik der Kommission Männer, 33,6 Prozent sind Frauen.

Die allergrößte Zahl der gemeldeten Vorfälle liegt Jahrzehnte zurück: 14,6 Prozent der Übergriffe fanden in den 1950er-Jahren oder früher statt. 37,4 in den 1960ern, 31,3 Prozent in den 1970ern. Nur noch 8,8 Prozent ereigneten sich in den 1980ern, 3,1 in den 1990ern. In die Jahre nach 2000 fallen nur noch 0,8 Prozent der gemeldeten Vorfälle.

Die Misshandlungen erfolgten laut den Opfern auf mehreren Ebenen. So kam es in 78 Prozent der gemeldeten Fälle zu körperlicher Gewalt, in 76 Prozent wurde psychische Gewalt ausgeübt. In 32 Prozent der Fälle handelte es sich um sexuelle Gewalt. Der Großteil der Betroffenen war in der Zeit des Übergriffes zwischen sechs und zwölf Jahre alt (61,1 Prozent), 23,2 Prozent waren 13 bis 18 Jahre alt.

Papst entlässt US-Erzbischof

Kritik an der Kommission kam am Sonntag von der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt. Für deren Obmann Sepp Rothwangl war die Kommission von Beginn an unglaubwürdig, denn: "Es geht dabei um die Kontrolle der Opfer." Konsequenzen für die Täter habe es bisher nicht gegeben. Die Plattform Rothwangls warnt sogar davor, gewisse Fälle zur Klasnic-Kommission zu tragen. Wenig Hoffnung hat Rothwangl bezüglich der Missbrauchs-Synode von 21. bis 24. Februar in Rom: "Es schaut nicht so aus, dass angemessen entschädigt wird."

Papst Franziskus erklärte am Sonntag den Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche zur "dringenden Herausforderung". Tags zuvor hatte der Heilige Stuhl Konsequenzen nach einem Fall in den USA gezogen: Wegen des Missbrauchs von Kindern und Erwachsenen entließ Franziskus den früheren Erz bischof von Washington, Theodore McCarrick, aus dem Priesteramt. Der 88-Jährige ist in der jüngsten Vergangenheit der bisher höchste Würdenträger, der mit der Versetzung in den Laienstand bestraft wird. McCarrick war von 2000 bis 2006 Erzbischof und danach einer der einflussreichsten Kirchenmänner der USA. (APA, ook)