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Proteste vor dem Regierungsgebäude in Tirana.

Foto: Reuters/Florian Goga

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Die Polizei ging mit Tränengas vor.

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Der weiße Dunst der Rauchbomben hob sich trennscharf vom blitzblauen albanischen Frühlingshimmel ab. Am Samstag fanden in Tirana Demonstrationen der oppositionellen Demokratischen Partei (PD) gegen die sozialistische Regierung unter Edi Rama statt. Mehrere Polizisten und Demonstranten wurden bei Zusammenstößen verletzt. Die Demonstranten hatten versucht, in das Regierungsgebäude einzudringen, die Polizei setzte Tränengas ein.

Die Demonstrationen waren der bisherige Höhepunkt monatelanger Protestveranstaltungen diverser gesellschaftlicher Gruppen gegen das oft intransparente, willkürliche Vorgehen der Behörden. Sie sind somit nicht nur als Auftakt für die im Juni stattfindenden Lokalwahlen zu sehen. In den vergangenen Monaten waren Studierende in Tirana regelmäßig gegen die hohen Studiengebühren und die unzumutbaren Zustände in den Studentenwohnheimen auf die Straße gegangen.

Fehlende Kompensationen

Eine andere Protestbewegung entstand rund um das Projekt, eine neue Stadtautobahn zu bauen. Denn für die Ringstraße rund um die Stadt müssen Bauten abgerissen werden. Die 300 betroffenen Familien beklagen, nicht ausreichend finanzielle Entschädigung zu bekommen. Wochenlang blockierten sie deshalb Straßen in Tirana. Künstler und Aktivisten protestierten zudem gegen den geplanten Abriss des Nationaltheaters im Herzen der Stadt. Die Pläne für das neue Nationaltheater riefen Kritik hervor, die Demonstranten monierten, dass die Kriterien für eine offene Ausschreibung nicht eingehalten wurden.

Die Opposition kritisiert aus demselben Grund noch weitere Projekte der Regierung: die Luftfahrtgesellschaft Air Albania und der geplante Flughafen in Vlora, die mithilfe türkischer Investoren realisiert werden sollen. Auch der niederländische Außenminister Stef Blok engagiert sich mittlerweile in der Sache. Es bestehe der Verdacht, dass die beiden Projekte gegen das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen der EU mit Albanien verstoßen, sagte Blok. Auch die EU-Kommission wolle mit der albanischen Regierung nun Fragen der öffentlichen Ausschreibung diskutieren.

Beginn von EU-Beitrittsgesprächen

Offen ist, ob die EU-Staaten im Juni beim EU-Rat für einen Beginn von EU-Beitrittsgesprächen stimmen werden – Frankreich und die Niederlande sind strikt gegen jede Erweiterung. Albanien wird allerdings in einer "Gruppe" mit Nordmazedonien gesehen. Wegen des historischen Namensabkommens mit Griechenland plädieren viele dafür, dass jedenfalls die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien beginnen sollen.

Rama hat in den vergangenen Jahren die Macht der Sozialisten weiter ausgebaut, die Opposition wurde – auch wegen eigener Fehler – immer schwächer. Rama hat aber auch eine wichtige Justizreform ins Rollen gebracht, zahlreich korrupte Staatsanwälte und Richter haben ihre Posten geräumt. Allerdings ist das Verfassungsgericht bereits seit Monaten wegen fehlender Richter nicht mehr funktionstüchtig. So wurde durch die Justizreform indirekt ein rechtliches Vakuum geschaffen, das wiederum von manchen politisch ausgenützt wird.

Großalbanische Avancen

Rama, der immer öfter großalbanische Töne anschlägt und eine Vereinigung mit dem Kosovo in den Raum stellt, obwohl das gegen die Verfassung des Kosovo und gegen den Ahtisaari-Plan verstoßen würde, ist für sein dominantes Auftreten bekannt. Kürzlich entließ er den allseits anerkannten Außenminister Ditmir Bushati, unter anderem weil dieser sich gegen den Gebietstausch zwischen dem Kosovo und Serbien gestellt hatte.

Ein solcher Gebietstausch, der ebenfalls gegen die kosovarische Verfassung und den Ahtisaari-Plan verstoßen würde, wird von Teilen der Trump-Regierung und von europäischen Lobbyisten befeuert. Weil die neue Grenzziehung nach ethnischen Kriterien erfolgen soll – was die EU und der gesamte Westen bisher ausgeschlossen haben –, löst sie in der Region große Ängste aus. (Adelheid Wölfl, 17.2.2019)