Wolfgang Ischinger ist der perfekte Diplomat. Wenn selbst einem wie ihm der Kragen platzt, dann läuft etwas gewaltig schief. "Ich will nicht mit anderen auftreten. Ich will nicht zuhören. Ich will nur eine Rede halten." Das alles war ihm bei der Organisation der Münchner Sicherheitskonferenz zu Ohren gekommen, klagte Ischinger bei einem Empfang der Security Times im Vorfeld der Tagung. Diese war heuer tatsächlich weder Hort des vertraulichen Austauschs noch der harten Debatte. Die meisten Teilnehmer stellten sich hin, machten ihre (Stand-)Punkte klar und rauschten wieder ab. Echte Diskussionen? Leider Fehlanzeige.

Dabei war es ja nicht so, dass es keinen Gesprächsbedarf gegeben hätte – vor allem zwischen den Europäern und den Amerikanern. Denn in München wurde immerhin klar, wie weit und tief der transatlantische Graben in diesen Tagen geworden ist. Ob Außen- und Sicherheitspolitik oder Energie- und Handelsfragen – in beinahe keinem in München verhandelten Politikfeld herrschte eine übereinstimmende Auffassung. Das kam in den Reden der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und des amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence paradigmatisch zum Ausdruck.

Die eine sprach von internationaler Kooperation und Vertrauen. Der andere forderte blinden Gehorsam und offenbarte eine Mentalität des Nullsummenspiels, die in außenpolitischen Belangen noch nie zu etwas gut gewesen ist. Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns – das mag die Devise vom Eifer getriebener Ayatollahs sein, aber nicht die von Diplomaten. Gesinnungstäter, das lässt sich nach dem fast gespenstisch bigotten Auftritt Pences in München sagen, sitzen in dieser amerikanischen Administration gleich neben politischen Erpressern. Denn die Tweets, mit denen US-Präsident Donald Trump in München in der Syrienfrage dazwischenfunkte, kann man nur als Erpressung lesen. Sie passen ins Bild. Auch das Vorgehen in der Iranfrage, der Handelskrieg gegen China und Europa sind Erpressungen. Neuerdings sollen Trump und seine Leute auch überlegen, deutsche Autos (und damit österreichische Zulieferer) als Sicherheitsrisiko für die USA einzustufen.

Zum Glück allerdings hatte sich in München nicht nur das seltsame Amerika des gegenwärtigen Präsidenten eingefunden. Zum Glück war auch der alte Joe Biden da. Er hielt das hoch, was die Vereinigten Staaten einmal gewesen waren: ein verlässlicher Partner und Verbündeter. Zuweilen mit unterschiedlichen Interessen in einzelnen Fragen vielleicht, aber immer auf Basis gemeinsamer Werte: Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft. Der ehemalige Vizepräsident musste sich sichtlich zusammenreißen, um das schwarze Schaf im Weißen Haus nicht zu sehr zu kritisieren. Aber er hatte auch eine hoffnungsfrohe Botschaft im Gepäck: Der Spuk wird vorübergehen. We will be back. Die Europäer müssen hoffen, dass Joe Bidens Worte im Ohr der amerikanischen Wähler wirken. (Christoph Prantner, 18.2.2019)