Ein Nierenzellkarzinom im fortgeschrittenen Stadium bedeutete bis vor kurzem eine extrem geringe verbleibende Lebenserwartung. Zielgerichtete Medikamente bildeten die erste deutliche Verbesserung. Nun dürften Immun-Kombitherapien zum neuen Behandlungsstandard werden. Zwei Wirksamkeitsstudien – eine davon mit Wiener Beteiligung – wurden jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

In Österreich erkranken jährlich rund 1.200 Menschen an einem Nierenzellkarzinom. 61 Prozent davon sind Männer. Jährlich sterben mehr als 400 Patienten an der Erkrankung. Die primäre Therapieform ist die Chirurgie. Strahlenbehandlung und die bis vor einigen Jahren verwendeten Medikamente wie Interferon alpha oder Interleukin-2 erwiesen sich als unwirksam. Mit neueren zielgerichteten Angiogenesehemmern (z. B. Sunitinib) und den sogenannten TOR-Inhibitoren gelang erstmals eine längere Stabilisierung der Erkrankung. Das Gesamtüberleben aber konnte erstmals 2015 mit einem neuen Immuntherapeutikum (Nivolumab) deutlich erhöht werden. 2018 zeigte eine Kombination von zwei Immuntherapeutika (Nivolumab und Ipilimumab) eine bessere Wirksamkeit als der Angiogenesehemmer Sunitinib.

Neue Studienergebnisse

Jetzt liegen die Daten zweier Studien mit einer Kombination aus einem Immuntherapeutikum (Pembrolizumab bzw. Avelumab) und einem neuen Angiogenesehemmer (Axitinib) vor. Pembrolizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der den PD-1-Rezeptor auf T-Lymphozyten blockiert. Avelumab wiederum hemmt das Oberflächenprotein PD-L1 auf Tumorzellen. Der Kontakt zwischen T-Zellen mit dem PD-1-Rezeptor und den Tumorzellen mit ihrem PD-L1-"Schlüssel" für den Rezeptor unterdrückt die Abwehrreaktion. Die Hemmung dieser Immunblockade mit den sogenannten Checkpoint-Inhibitoren kann das Immunsystem wieder aktivieren.

In der Studie mit Pembrolizumab und Axitinib erhielten 432 Patienten eine Kombinationstherapie mit den beiden Medikamenten. 429 Patienten aus der Vergleichsgruppe bekamen allein das bisher in der Therapie etablierte Sunitinib. Im Mittel betrug die Beobachtungsdauer 12,8 Monate. Nach einem Jahr waren 89,9 Prozent der Erkrankten am Leben, welche die Kombinationstherapie erhalten hatten. In der Sunitinib-Gruppe waren es 78,3 Prozent. Das bedeutete eine Risikoreduktion um 47 Prozent und war statistisch hoch signifikant.

Knapp 60 Prozent der Behandelten hatten auf die Kombinationstherapie angesprochen, fast 36 Prozent auf Sunitinib. Die mittlere Überlebenszeit ohne Fortschreiten der Erkrankung stieg von 11,1 auf 15,1 Monate. Auch dies bedeutete einen statistisch signifikanten Unterschied. Nicht als Autorin, aber als eine der weltweit vielen "Investigators", welche Patienten in die Studie aufnahmen, war auch Manuela Schmidinger, Onkologin an der Universitätsklinik der Med-Uni Wien im AKH, beteiligt.

In die Zange nehmen

In der zweiten Studie wurde bei ähnlichen Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom etwa die Hälfte von 886 Probanden mit Avelumab und Axitinib behandelt. Die andere Hälfte erhielt allein Sunitinib. Unter der Kombinationstherapie dauerte es im Durchschnitt 13,8 Monate, bis die Erkrankung fortschritt, in der Vergleichsgruppe waren es nur 8,4 Monate. Das war statistisch signifikant. Besonders gut sprachen Patienten auf die Kombination zwischen Checkpoint-Inhibitor (Avelumab) und dem Angiogenesehemmer (Axitinib) an, wenn die Tumorzellen an ihrer Oberfläche das PD-L1-Merkmal aufwiesen. Das lässt sich anhand von Gewebeproben feststellen.

"Beide Kombinationstherapien dürften der neue Standard für die Erstbehandlung bei metastasiertem Nierenzellkarzinom werden", schrieb Bernard Escudier vom französischen Krebsforschungszentrum Gustave Roussy (Villejuif) in einem Kommentar. Um den zusätzlichen Effekt von Pembrolizumab bzw. Avelumab zu einer alleinigen Angiogenesehemmung zu zeigen, wäre es allerdings aussagekräftiger gewesen, wenn man die Kombinationstherapie mit Axitinib allein und nicht mit einem anderen, ähnlichen Wirkstoff (Sunitinib) verglichen hätte. (APA, 18.2.2019)