In den Elternseminaren, die ich abhalte, höre ich oft die Klage, der Nachwuchs habe es nicht so mit dem Erzählen und teile sich nicht mit. Die Eltern fragen mich, wie sie das ändern können. Am heutigen Internationalen Tag der Muttersprache soll es um den Erhalt der Familiensprache, Minderheitensprache und Erstsprache gehen. Mir geht es aber darum, zuallererst dem Kind Lust aufs Kommunizieren zu machen. Besonders die Jüngeren, die noch einen Kindergarten besuchen, kommunizieren intensiv nonverbal. Wir Erwachsenen tun das auch, aber es ist nicht mehr so zentral wie für Kinder, das hebt auch die Wissenschafterin Anja Leist-Villis hervor. Deshalb sollten Eltern auf keinen Fall unterschätzen, wie sehr diese Tatsache die Kommunikation beeinflussen kann.

Der Dialog

Nähe schaffen

Als Mutter eines Vierjährigen weiß ich genau, wovon die Eltern berichten. Was Kinder brauchen, ist aktives Zuhören, ein Dialog, der auf Augenhöhe passiert. Und das meine ich nicht im übertragenen Sinn: Ich gehe davon aus, dass Eltern respektvoll mit ihren Kindern umgehen, dass man als Erwachsener mal in die Knie geht, dem Kind in die Augen sieht, einander im wahrsten Sinn des Wortes nahe ist.

Aufmerksamkeit, aber exklusiv

In der Sprachakademie, die ich leite, finden Deutschkurse statt. Dabei ist es zentral, dass die Kinder sprechen, erzählen und am Kurs aktiv teilnehmen. Was sie immer fesselt, bevor es noch überhaupt um ein konkretes Thema geht, ist meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Wenn ich mich zu meinem kleinen Schüler setze und wir miteinander sprechen, gebe ich dem Kind ganz bewusst das Gefühl, in diesem Moment gibt es nichts anderes, das mich mehr interessiert, als ihm zuzuhören. Hinwenden und anschauen nennt es die Sprachwissenschafterin Elke Montanari. Diese ungeteilte Aufmerksamkeit wünscht sich jeder. Zu oft lassen sich Eltern aber durch Fernseher, Smartphone oder andere Gespräche ablenken.

Konzentrieren Sie sich auf Ihr Kind und geben Sie ihm Ihre volle Aufmerksamkeit. So werden Kinder auch von ihren Erlebnissen erzählen.
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Das Thema

Im Netz kursieren scherzhaft die gängigen Fragen der Eltern mit den gängig einsilbigen Antworten der Kinder. Aber mal ehrlich: Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und man mich fragt: "Und wie war's?", habe ich erst mal auch keine Lust, darüber zu sprechen. Ich möchte mich entspannen und auf andere Gedanken kommen. So geht es auch den Kindern. Zu einem späteren Zeitpunkt erzählen sie dann vielleicht doch noch etwas.

Eintauchen in eine Fantasiewelt

Kinder (wie auch Erwachsene) wollen über Dinge sprechen, die sie gerade beschäftigen, die ihnen wichtig sind – wichtig in ihrer Welt. Diese Welt ist bevölkert von Wesen und Dingen, die nicht immer real sind, vor allem bei Kindern von circa drei bis fünf Jahren – das beeinflusst auch das Sprachverhalten, darüber sind sich Logopäden einig. Bis vor kurzen konnte ich mich mit meinem Sohn am besten unterhalten, wenn ich in seine Fantasiewelt eingetaucht bin. Über den Kindergartenalltag wollte er zwar nichts erzählen, dafür umso mehr über seine Fantasiewesen, denen er Namen gibt und die eine eigene Biografie haben. Dabei hatten wir sehr angeregte Gespräche. Folgen Sie also dem Bedürfnis des Kindes, und Sie werden bewegende Einblicke bekommen.

Die Leidenschaft Ihres Kindes

Für ein Kind ist es wahrscheinlich völlig nebensächlich, was es zu Mittag gegessen hat und welcher Stoff in der Schule durchgenommen wurde. Aber es hat bestimmt eine Passion, ein Thema, das es gerade beschäftigt. Finden Sie es heraus, und Sie werden sich vor Erzählungen nicht retten können. Bei meiner Tochter war es das neue Freundschaftsbuch und die Sorge, welche der Freundinnen es als erste bekommen sollte. Über Flugzeuge und Raketen können wir uns auch abendfüllend unterhalten. Oder die beste Freundin meines Sohnes – er erzählte mir im Detail, was sie zu ihm gesagt hat, was er geantwortet hat und so weiter. Nicht immer ist alles chronologisch richtig, aber darum geht es nicht, sondern darum, dass die Kinder spüren, als Mutter bin ich interessiert an dem, was sie mir zu sagen haben. In meiner Arbeit mit Jugendlichen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es später genauso bleibt.

Die Formulierung

Was Kindern hilft, sind Fragen, die vielseitige Möglichkeiten eröffnen. Wenn man fragt: "Hast du schön gespielt?", darf man sich nicht wundern, wenn bloß ein "Ja" zurückkommt. "Was hast du gespielt?" oder "Welches Spiel hat dir gefallen?" sind offene Fragen, die zum Erzählen motivieren. Dabei hängt es auch vom Alter des Kindes ab, ob es mit diesen umgehen kann. Wie Montanari meint, muss ein Kind bereits einiges von der Welt begriffen haben, um mit W-Fragen umgehen zu können. Und: Als Eltern sollten wir wieder die Erwartungshaltung verändern. Kinder haben noch ein ganz eigenes Verständnis der Welt, die Antwort entzieht sich vielleicht der eigenen Erwartung. Als ich meinen Sohn fragte: "Wie war die Torte?", antwortete er: "Sehr hoch, rot und schwarz und mit Creme dazu." Offensichtlich hat ihn das Aussehen der Torte mehr beeindruckt als der Geschmack. Konkrete Fragen sind ebenso anregend, etwa "Als was waren die Kinder bei der Faschingsparty verkleidet? Was hat dir bei der Party am meisten Spaß gemacht?".

Das Ritual

Kleine Erzähl- und Austauschrituale sind eine wunderbare Möglichkeit, das Sprechen anzuregen. Zum Beispiel kann man nach der Gute-Nacht-Geschichte kurz über diese sprechen oder nach dem Vorlesen den Tag Revue passieren lassen. Was war schön, was hat das Kind genervt? Welches Erlebnis war spannend? Gehen Sie dabei mit gutem Beispiel voran und erzählen Sie auch selbst viel. Denken Sie sich gerne verrückte Geschichten aus, oder erzählen Sie lieber etwas aus Ihrer Kindheit, egal, Hauptsache, es ist unterhaltsam für alle. Sie werden merken, die Kinder werden es auf ihre eigene Art und Weise imitieren.

Legen Sie also das Handy weg, schließen Sie den Laptop, setzen Sie sich zu Ihrem Kind und lassen Sie sich in seine Welt führen, und es wird Ihnen viel erzählen. Insistieren Sie nicht auf dem, was Sie hören möchten, sondern geben Sie Raum für das, was Ihr Kind in seiner Welt als mitteilenswert erachtet.

Miteinander viel zu sprechen ist nicht nur für die Eltern-Kind-Beziehung wunderbar, dabei lernt Ihr Kind sehr viel, erweitert seinen Horizont und wird dazu angeregt, neugierig durchs Leben zu gehen – beste Voraussetzungen für Schule und Ausbildung. (Zwetelina Ortega, 21.2.2019)