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Mehr heimische Blockbuster oder ein Steueranreiz für Filmproduktionen: Braucht es Maßnahmen gegen die schwindenden Besucherzahlen in den Kinos?

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Letztes Jahr war kein gutes Jahr für die heimischen Kinos. Die Wirtschaftskammer hat deshalb vor kurzem Alarm geschlagen: Im Vergleich zum Vorjahr setzten sich rund zehn Prozent weniger Menschen vor die Leinwand. Zählten die heimischen Kinos im vergangenen Jahr noch 15,3 Millionen Besucher, waren es heuer nur noch 13,7 Millionen. Das geht aus den veröffentlichten Daten der AKM hervor. Dieses Problem könne nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden, sagt Christian Dörfler, Kinosprecher der WKO.

Europaweit steht Österreich mit Deutschland, wo der Besucherschwund mit minus 13,9 Prozent noch dramatischer ist, recht alleine da. Trotz des letztjährigen Kinorekordjahrs beträgt der europaweite Rückgang der Kinobesucher nur 3,3 Prozent, so Daten der Internationalen Kinovereinigung (Unic). Dänemark, Norwegen und viele osteuropäische Staaten verzeichnen sogar ein deutliches Plus an Besuchern. Großbritannien erreichte 2018 das beste Ergebnis seit 25 Jahren.

Heißer Sommer

Was also läuft falsch in Österreich? Nicht allzu viel, sagen Experten. Obwohl die Besucherzahlen im letzten Jahr radikal zurückgegangen sind, warnen sie vor verfrühtem Pessimismus. Der Kinomarkt sei nämlich von vielen Faktoren abhängig. Wenn einige Hollywood-Blockbuster unter den Erwartungen bleiben, schlägt das auch auf Österreich durch. Zudem ist die Abhängigkeit gegenüber dem deutschen Markt groß: 2017 war Fack ju Göhte 3 der meistgesehene Film in Österreich. Im Vorjahr blieb eine vergleichbare Produktion aus.

Auch die Fußball-WM wirkte sich auf die Besucherzahlen aus. "Bei Großevents gehen die Zahlen der Ausstrahlungen zurück", sagt Roman Schöndorfer von Cinecom, dem Vermarktungsunternehmen der österreichischen Kinos. Die Annahme, dass alle nur Fußball im Kopf haben, verleitet die Verleiher dazu, weniger Filme ins Kino zu bringen. Eine "Selffulfilling Prophecy". Stärker als die WM dürfte sich aber der heiße Sommer ausgewirkt haben: Er hielt Menschen vom Kinosaal fern.

Schöndorfer sieht im Besucherschwund keine langfristige Tendenz, sondern eine sinuskurvenartige Entwicklung. Der Grund für seinen Optimismus: Die Filmverleiher haben für das kommende Jahr vielversprechende Blockbuster angekündigt. Andere Experten sind sich nicht so sicher, ob sich die Besucherzahlen von selbst erholen werden. Sie plädieren für gezielte Maßnahmen:

Nationale Blockbuster stärker fördern

In all jenen Ländern, die ein Plus an Kinobesuchern vermeldeten, habe es nationale Besuchermagneten gegeben, so die Analyse der Wirtschaftskammer. Deshalb müsse man beim heimischen Filmmarkt ansetzen. Zwischen den ertragreichen Blockbustern aus Hollywood brauche es lokal produzierte Kassenschlager.

Tatsächlich schafft es meistens nur ein österreichischer Film pro Jahr, mehr als 100.000 Besucher in die Kinos zu locken. Filme wie Wilde Maus oder Brüder im Wind etwa. Die Forderung der WKO lautet daher: österreichische Blockbuster stärker zu fördern. Klingt gut – wie aber können Fördergeber zum Zeitpunkt der Antragsstellung einen Kassenschlager voraussagen?

Der Marktforscher von Cinecom, Roman Schöndorfer, weiß, was ein Film braucht, um ein Kassenschlager zu werden. Erstens das Genre: Komödien laufen besser als Dramen. Zweitens Storytelling: Langsam geschnittene Filme sind nicht für das breite Publikum geeignet. Ein Haneke bricht keine Besucherrekorde in Österreich, ist aber international gesehen sehr erfolgreich.

Ronald Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts, sieht dagegen weniger die Filmförderung als die Produzenten in der Pflicht. Gerade in Österreich sind Filme, die auf Kassenerfolg ausgerichtet sind, rar. "Wir würden gerne mehr Filme fördern, die im Kino vielversprechende Zahlen bringen", sagt Teichmann. In der Praxis gestaltet sich das aber schwierig: Selbst Hollywood produziert viele Filme, die in den Kinos alles andere als erfolgreich sind.

Steueranreizmodelle schmieden

Während der Berlinale kündigte Jürgen Meindl, Sektionschef im Bundeskanzleramt, eine weitere Lösung für die sinkenden Kinobesucher an: Filmproduktionen sollen Steueranreize erhalten. Das würde bedeuten, dass Produktionen einen bestimmten Anteil an den Ausgaben, die in Österreich anfallen, vom Finanzamt wieder zurückerstattet bekommen.

Damit würde Österreich in den internationalen Markt für sogenannte Wanderproduktionen einsteigen. Für viele (Hollywood-)Filme ist das gängige Praxis: Gedreht wird, wo am billigsten produziert werden kann. Blade Runner 2049 wurde fast zur Gänze in Ungarn gefilmt. Die Steueranreize sollen helfen, Wertschöpfung ins Land zu holen. Das soll sich auch positiv auf die heimische Filmwirtschaft auswirken.

Die Krux liegt im Detail: Orientiert man sich am britischen Modell oder der belgischen Best Practice, bei dem auch internationale Produktionen verpflichtet werden, mit regionalen Koproduzenten zusammenzuarbeiten, um einen Austausch von Know-how zu fördern? Festlegen in dieser Frage will man sich im Bundeskanzleramt noch nicht.

Aber vielleicht löst sich das Problem sinkender Besucherzahlen sowieso von selbst. Schon bald kommt der neueste Star Wars in die Kinos. Und bis zu König der Löwen 2 ist es auch nicht mehr lang hin. (Laurin Lorenz, 19.2.2019)