Postkartenidylle und Spitzensport. Die Nordische Ski-WM soll die Olympiaregion zurück auf die Erfolgsspur bringen.

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Das WM-Programm.

Auf der Terrasse vor dem Hotel Hocheder gerben Gäste ihre Haut in der Frühlingssonne. Die Szenerie ist mit spanischer Loungemusik hinterlegt. Nicht aufdringlich, sondern grade laut genug, um das Hämmern auf der Medal Plaza nebenan zu übertönen, wo die finalen Vorbereitungen für die am Mittwoch startende Nordische Ski-Weltmeisterschaft in Seefeld laufen.

Vier Jahre lang hat die gesamte Olympiaregion, unter diesem Namen verkauft sich das Plateau mit den fünf Ortschaften zwischen Innsbruck und dem bayrischen Mittenwald touristisch, auf dieses Sportgroßereignis hingearbeitet. Es soll den Aufbruch in eine Zukunft wie früher markieren.

Von 1964 bis heute

Denn die einst mondäne Wintersportdestination Seefeld, deren goldene Hochzeit die Olympischen Spiele 1964 und 1976 einläuteten, als hier die nordischen Disziplinen ausgetragen wurden, erlebte in den vergangenen Jahrzehnten einen steten Niedergang.

Nun steht man vor einem Neubeginn, wie TVB-Chef Elias Walser erklärt: "Seefeld erhält dank der WM ein Update, wie man heute sagen würde." Mehr als 50 Millionen Euro an öffentlichen Geldern seien im Zuge der Vorbereitungen auf das Sportereignis in der Region investiert worden. So erhielt der Ort etwa einen neuen Bahnhof, der nach den Fans die Gäste in die Region bringen soll.

Auch privat wurde viel investiert. Zahlreiche Hoteliers haben ihre Häuser modernisiert. Angesichts der in die Jahre gekommenen Infrastruktur des Skiortes war dies längst überfällig, wie auch Walser zugibt. "Dank der WM passierte das nun alles zur selben Zeit", freut sich der Touristiker. Seefeld stehe da wie neu.

Dass die 3400-Einwohner-Gemeinde ein anderes Publikum anspricht als die schrillen Partyhochburgen im Ötz-, Paznaun- und Zillertal, wird beim Schlendern durch die Kloster-Arkaden, Seefelds Shoppingmeile für ebenso betuchte wie betagte Kundschaft, deutlich. Statt sportlicher Funktionskleidung wird hier dezente Strickware in Pastelltönen sowie Pelz feilgeboten. Und in den Bars setzt man auf gute Weine statt billigen Schnaps.

Wintersportlich kann Seefeld nicht mit dem Gigantismus anderer Destinationen mithalten. Die Skigebiete am sonnigen Plateau sind klein, aber fein. Breite flache Pisten locken Anfänger und Familien aus dem nahen Ballungsraum München ins Karwendelgebirge.

Ära der Fehlentscheidungen

Seit 1985 zuletzt eine Nordische Ski-WM in Seefeld stattgefunden hat, versuchte sich die Region immer wieder erfolglos neu zu erfinden. Noch heute zeugt das Playcastle, eine seit Jahren leer stehende Burgattrappe, die einst neue Impulse bringen sollte, von diesem Scheitern. Auch den Snowboardbewerb "Air & Style" hat Seefeld Anfang der 2000er-Jahre mehrmals ausgetragen.

Erst mit der Rückbesinnung auf den Langlaufsport, der dem Ort schon einst zu Wohlstand und Weltruhm verholfen hat, gelang die Trendwende. "Wir haben zurück in die Spur gefunden", sagt TVB-Chef Walser.

Dass die WM selbst vor allem für den ÖSV als Veranstalter ein Geschäft sein werde, war den Seefeldern klar. Für sie zählt die Zeit kurz davor und vor allem jene danach. Denn erstmals seit Jahrzehnten sei wieder eine Aufbruchsstimmung spürbar, erzählen die Zimmervermieter und Cafébesitzer unisono.

Mittel zum Zweck

Der Sport ist Mittel zum Zweck. Und der Zweck heißt Betten befüllen. In Seefeld, das mit klingenden Namen wie St. Moritz oder Lech am Arlberg zum exklusiven touristischen Verbund "Best of the Alps" gehört, sind es überdurchschnittlich viele Vier- und Fünf-Sterne-Häuser, die um Nächtigungen buhlen.

Der nordische Skisport ist dafür ideal, weil er aktives, aber auch – vor allem finanziell – gesetzteres Publikum anspricht. Fast 270 Loipenkilometer bietet die Region mittlerweile. Für Alpinskifahrer sind es im Vergleich dazu insgesamt keine 50 Pistenkilometer. Und man hat gelernt, diese Loipen gewinnbringend zu vermarkten. So kostet ein Tagesticket zehn Euro, für Gäste der Region nur fünf Euro.

Den Touristen selbst ist die WM einerlei. Die meisten wundern sich ob des geschäftigen Treibens im Ort. Die zwei Wettkampfwochen will die Region dazu nutzen, sich weltweit als beschauliches Winterparadies für zahlungskräftige Kundschaft zu präsentieren.

Das Wetter spielt dabei mit. Nach fast drei Metern Neuschnee Anfang des Jahres türmt sich die weiße Pracht immer noch mannshoch in den Straßen. Der Himmel trägt dazu sein tiefstes Blau. Aus Skandinavien werden zahlreiche gekrönte Häupter erwartet, deren Urlaubsbilder um die Welt gehen werden. Der Relaunch scheint geglückt: Seefeld ist wieder wer. (Steffen Arora, 20.2.2019)