Na endlich leuchtet dieser Stern wieder über der Stadt: Christian Petz kocht wieder, und wie. Im Ritz-Carlton am Schubertring.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Eine Sauerrahmsuppe von leichter, tänzelnder Herrlichkeit, mit ganz wenig Kümmel und viel Dill – ein ideales Biotop für knackig süße Flusskrebse.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es war ein Bauchfleck mit Ankündigung, den Christian Petz mit seinem Wirtshaus in der Gußhausstraße hingelegt hat, auch wenn die Schließung im vergangenen Jahr letztendlich doch abrupt wirkte. Der legendär sture Hund von einem Spitzenkoch ist einer der ganz wenigen im Land, der schon immer so kochte, als ob er in Wahrheit nur seinen eigenen Ansprüchen genügen müsste.

Das mag für die Instagram-Generation, die Essen mehr optisch als geschmacklich wahrnimmt, verstörend sein. Die Gerichte, die Petz erst im Meinl, dann im Coburg (das unter seiner Führung vier Hauben abräumte), schließlich auch breitenwirksam im Badeschiff komponierte, waren stets von souveräner Balance und Bekömmlichkeit, bei aller Kreativität niemals verstiegen, nie auf Firlefanz oder Show abzielend.

Sondern vielmehr etwas, das sich in der hohen Küche immer weniger findet, seit sie immer mehr für Leute mit urviel Geld und immer weniger für solche mit Geschmack und halbwegs gut erzogenem Gaumen gemacht wird: persönlich, aus dem Vollen schöpfend und doch auf Ausgleich bedacht – dem Geist, der Zunge und dem Rest der Existenz gleichermaßen angemessen.

Leute, die solch subtile Kunst zu ehren verstehen, sind in den vergangenen Jahrzehnten nicht unbedingt mehr geworden. Das könnte eine Rolle gespielt haben, als Petz sich am Zenit seines Ruhms aus dem Coburg verabschiedete, um es erst am Badeschiff und dann in einem eigenen Lokal ein wenig lässiger anzugehen.

Blöderweise sind echt große Köche, die gleichzeitig auch gute Wirte abgeben, aber ähnlich rar wie Äschen oder Waldschnepfen. Dass Christian Petz da nicht dazugehört, ist nunmehr amtlich. Es war nicht immer schön anzusehen, wie dieser Solitär von einem Koch sich in der Gußhausstraße am täglichen Wirtsdasein abschliff.

Umso schöner, dass er wieder da ist – und sich nur ums Essen und seine eigene Befindlichkeit kümmern muss. Dem wachen Gaumen des jungen Ritz-Carlton-Direktors Christian Zandonella dürfte da einiges zu verdanken sein: Er holte Petz aus dem Loch, in das er im Zuge der Gußhaus-Pleite gefallen war, er bietet ihm nun – vorerst als Pop-up auf sechs Monate befristet – wieder eine große Bühne.

Das Dstrikt mag ein feines, aber vergleichsweise biederes Steakhaus sein, wenn auch mit einer fantastischen Sommelière in Gestalt von Sindy Kretschmar und einer Weinkarte, die Petz' Küche mehr als nur das Wasser reichen kann. Die Klientel rekrutiert sich einstweilen aus älteren Herren samt jüngeren Damen, aus höheren Angestellten im Büroanzug und aus Touristen, die offenbar überall auf der Welt ein Steak brauchen – auch im dafür eher nicht so prädestinierten Wien.

Roh und knusprig

Ab jetzt sollen sie auch anderes kosten. Hauchdünne Scheiben vom Kalbskopf etwa, die fast auf der Gabel schmelzen, mit Salat aus knusprig roher und frittierter Topinambur, großartig. Oder eine Sauerrahmsuppe von leichter, tänzelnder Herrlichkeit, mit ganz wenig Kümmel und viel Dill – ein ideales Biotop für knackig süße Flusskrebse (siehe Bild).

Rieslingkutteln mit Vongole, einer von vielen Petz-Klassikern auf der Pop-up-Karte, müssen einfach sein, Beuschel mit gemeingefährlich fluffigem Gansleberknödel (oh ja!) sowieso. Ragout von der Lammschulter mit viel und endlos köstlichem mitgeschmortem Gemüse ist Essen für die Götter.

Ein bisserl Platz muss man sich aber lassen: Hinterher gibt es Crêpes Suzette! Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass die Wiederkunft dieses Genies auch von Dauer sei. Aber das hat Petz ganz allein in der Hand. (Severin Corti, RONDO, 22.2.2019)

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