Auf der Friedensburg Schlaining wird das Haus der Zeitgeschichte entstehen. Ein zentraler Museumsstandort des Burgenlandes.

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Das Burgenland ist ein kleines Land. Die nicht ganz 300.000 Einwohner verteilen sich darin aber recht ungünstig über die knapp 4.000 Quadratkilometer, die sich elendslang und spindeldürr hinziehen von der slowakischen bis zur slowenischen Grenze. Dass es sich anfühlt wie eine kleine Weltreise, fährt man vom längst schon wieder ins Weichbild von Bratislava gerückte Kittsee hinunter nach Kalch im Nirgendwo des schönen Dreiländer-Naturparks Raab-Őrség-Goričko, liegt allerdings nicht nur daran.

Die Geschichte hat dem kleinen, armen, in sich hoch disparaten Landstrich ja mehr Binkerl mitgegeben als das, nicht nur keine Hauptstadt, sondern überhaupt keine Stadt zu haben. Mattersburg – das, diesbezüglich hoffnungsfroh, 1924 sein diminutives Mattersdorf abgestreift hat – wäre günstig gelegen. Für Mattersburg hätte auch der schöne ungarische Name – Nagymarton, Großmartin – gesprochen. (Eisenstadt heißt dagegen – zu Recht, sagten die Großmartiner – Kismarton, also Kleinmartin oder, wie man in frühen Jahren klingend gesagt hat: Wenig Mertersdorf.)

Aber hinter Mattersburg hörte die Welt auf, denn alle Wege führten ja über Ödenburg, das 1921 bei Ungarn verblieben war. Erst 1929 begann man, die Saumpfade über den Sieggrabener Berg – dort, wo das Burgenland nur vier Kilometer breit ist – zu einer echten Fahrstraße auszubauen.

Stadt des Buches

Jetzt, bald 100 Jahre nach der Zangengeburt des Burgenlandes, könnte Mattersburg doch noch ein bisserl Landeshauptstadt werden. Hans Peter Doskozil, der Neue auf dem Landeshauptmannsessel, hat angekündigt, Landesbibliothek und -archiv aus der Tintenburg des Landhauses ins Mattersburger Kulturzentrum zu übersiedeln, um dort, gemeinsam mit dem famosen Literaturhaus, eine Art Haus des Buches einzurichten.

Das Kulturzentrum Mattersburg hätte ja aus Gründen, die sich nicht wirklich haben ergründen lassen, abgerissen werden sollen unter der Ägide von Finanz-, Bau- und Kulturlandesrat Helmut Bieler, den Doskozil 2017 beerbt hatte. Aber da war der junge Mattersburger Kunsthistoriker Johann Gallis, der Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hat, weil dieser vom Architekten Herwig Graf entworfene Bau für den Stil des pannonischen Brutalismus der 1970er-Jahre besonders typisch und also ganz besonders schützenswert sei. Das Bundesdenkmalamt schloss sich der Gallis'schen Sichtweise an. Im Frühjahr wird begonnen, den seit Jahren leerstehenden Bau sorgsam herzurichten.

Rotes Denkmal

Freilich war dieses Gebäude auch ein ideelles Denkmal. Unter der Ägide des damaligen Kulturlandesrates Gerald Mader und des Unterrichtsministers Fred Sinowatz sollte hier das Modell einer sozialdemokratischen Kulturidee Gestalt annehmen, von der man sich aber eh längst schon verabschiedet hat – wie von vielen dieser mittlerweile altvaterisch erscheinen mögenden Vorstellungen von der Selbstermächtigung des kleinen Mannes und der kleinen Frau.

Mader'sches Denkmal

Mattersburg soll aber erst der Anfang sein einer Dezentralisierung, die ja auch die Nachbarin in Niederösterreich angekündigt hat. Kann gut sein, dass Hans Peter Doskozil die Angelegenheit forciert, weil er ein doch recht überzeugter Südburgenländer ist (so wie übrigens FPÖ-Infrastrukturminister Norbert Hofer, dem man über die missliche Verkehrslage dort auch nicht viel erzählen muss.)

Da trifft es sich gut, dass der schon in Mattersburg so wesentliche Gerald Mader auch im Landessüden seine tiefen Spuren hinterlassen hat. Die Burg Schlaining hat er – der 1926er-Jahrgang, den Hitler gerade noch erwischt hat, um ihn in den längst verlorenen Krieg zu schicken – zur Friedensburg gemacht. 1982 wurde hier das Österreichische Institut für Friedens- und Konfliktforschung ins Leben gerufen.

Burgenlands Geschichte

Geht es nach Doskozil, soll Schlaining zu einem wesentlichen Museumsstandort aufgewertet werden. Norbert Darabos, der den Regierungssessel räumt, wird Burgherr. Als solcher ist er auch beauftragt, hier die zentrale Ausstellung zum 100. Geburtstag des Burgenlandes 2021 zu koordinieren. Und diese wiederum zum Kristallisationskern eines Museums für Zeitgeschichte zu machen, die im Falle des Burgenlandes ja eh die gesamte wäre.

Hier soll also das Burgenland in seiner heutigen Gestalt bedacht und erwogen werden. Das Landesmuseum in Eisenstadt wäre dann bloß zuständig für die Vorläufersubstanzen des langgezogenen Landstrichs.

"Freilich", sagt Doskozil dem STANDARD, "werden wir da nichts übers Knie brechen. Die Mitarbeiter müssen mitziehen, das muss abgestimmt werden. Da geht es auch um Lebensplanungen."

Güssinger Bio

Auch Güssing – trotz der Pleite des Biomassekraftwerkes ein klingender Name in Sachen Bio – solle einschlägig gestärkt werden. Hier, in der landwirtschaftlichen Fachschule, "wo es ja die entsprechenden Flächen gibt", will man in Kooperation mit dem schweizerischen Forschungsinstitut für biologischen Landbau und der Genussakademie Donnerskirchen "auch in die Forschung gehen", wie Doskozil sagt. Dass mit Esterházy Österreichs größter, längst marktfähiger Biobauer – na ja, Bauer – einem zur Seite stehen wird bei der Biooffensive, "ist natürlich sehr hilfreich".

G'feanztes Manöver

Das alles klingt so gutmeinend, dass man leicht übersehen kann, wie viel fein G'feanztes auch dahinter lauert. Die erste konkrete Maßnahme in der Doskozil'schen Bioinitiative war es ja anzukündigen, der Landwirtschaftskammer gleich einmal die Hälfte der Zwei-Millionen-Landesförderung zu kürzen. Und während sich der Kammerpräsident, Nikolaus Berlakovich, aufgeregt in die diesbezüglichen Verhandlungen stürzte, um das Schlimmste dann doch abzuwehren, wurde im Schatten dieses Ablenkungsmanövers Franz Stefan Hautzinger, Berlakovichs Vorgänger als Kammerchef, als Chefkoordinator der roten Initiative installiert, womit der schwarzen Bauernvertretung jeglicher Oppositionswind aus den Segeln genommen wurde.

Sie wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Solch feine Manöver lernt man sicher auf der Militärakademie. Oder – als Hösche – auf der Fußballakademie. Keine Ahnung, ob dort auch noch der saftige Wiener Fußballplatzjargon gelehrt wird. Was hier mit der ÖVP-Mannschaft veranstaltet wurde, nennt man zwischen Simmering und Floridsdorf bis heute "Bauernarsch spielen".

Dass der SK Rapid dies nur noch sehr selten tut, mag dem Rapid-Fan Doskozil ein kleiner Hinweis sein auf die Vergänglichkeit selbst der gelungensten Spielzüge. (Wolfgang Weisgram, 21.2.2019)