Jede Wette, dass Sebastian Kurz Hinweise auf sein Alter nicht mehr hören kann – seien sie auch, wie im Fall von US-Präsident Donald Trump, noch so wohlwollend gemeint. Und wer kann es ihm verdenken: Immerhin mag er ja der jüngste Regierungschef weit und breit sein, doch das ist schon länger keine sensationelle Neuigkeit mehr, und das allein macht nicht seine politische Hauptqualifikation aus.

Und dennoch: Jede Wette, dass Sebastian Kurz ganz genau mit diesem Umstand kalkuliert und sein Alter sowie seine steile Karrierekurve subtil dort einsetzt, wo sie für Eindruck sorgen können. Trump ist solch ein Fall, ihn kann man beeindrucken mit Zielstrebigkeit, Coolness, Unbekümmertheit. Kurz hat all das erreicht in so jungen Jahren, in so kurzer Zeit? Hören wir uns mal an, was der junge Bursche zu sagen hat – mag Trump gedacht haben. Und möglicherweise hat er ihm das beim Vieraugengespräch im Oval Office auch direkt so gesagt.

Das Treffen des "very young leader" mit dem großväterlichen Präsidenten soll nicht nur freundlich, sondern auch "durchaus kontroversiell" gewesen sein, berichtete dieser anschließend. Dem kann man ruhig Glauben schenken. Sebastian Kurz hat schon mehr als einmal – nicht nur auf Wahlkampfbühnen und in TV-Studios, sondern auch auf äußerst glattem politischem Parkett – bewiesen, dass er sich Konfrontationen durchaus stellt, wenn es sein muss. Den Schweigekanzler hebt er sich dann für andere Gelegenheiten auf.

Mit Sicherheit stimmt es, dass Kurz seinem mächtigen amerikanischen Gesprächspartner mit jugendlichem Selbstbewusstsein vermittelt hat, dass es dieser lieber nicht auf eine Verschärfung des Handelskonflikts zwischen den USA und der EU ankommen lassen soll. Denn letzten Endes würde nicht nur Europa draufzahlen, sondern es würden auch die USA Schaden nehmen. Ein selbsternannter "Dealmaker" wie Trump hat da sicher gut zugehört. Ob er sich dann im Sinne Kurz' und Europas entscheiden wird, steht auf einem anderen Blatt und ist womöglich von spontanen Eingebungen und Gemütszuständen abhängig.

Historisch oder nicht?

War das Treffen im Weißen Haus tatsächlich das bisher absolut wichtigste eines österreichischen Bundeskanzlers, wie der US-Botschafter in Wien, Trevor Traina, schwärmte? Wohl kaum. Leopold Figl verhandelte 1952 in Washington über einen Staatsvertrag, der der Republik Österreich drei Jahre später die Unabhängigkeit und Neutralität schenken sollte – das war tatsächlich historisch. Und auch der Besuch von Franz Vranitzky bei Ronald Reagan 1987 war von immenser Bedeutung – galt es doch, das eisige Klima, das mit der Wahl von Kurt Waldheim im Jahr zuvor Einzug gehalten hatte, wieder ein bisschen zu erwärmen.

Doch natürlich war auch das Treffen von Kurz und Trump wichtig – vor allem aus europäischer Sicht. Der Bundeskanzler versuchte sich als Vermittler zwischen Brüssel und Washington zu positionieren, er nutzte die bescheidene Größe Österreichs – und ja, auch sein Alter – geschickt aus, um Argumente zu platzieren, auf dass sie bei Trump einsickern und wirken mögen. Er schmeichelte ihm mit Lob für seine außen- und wirtschaftspolitischen Erfolge, ohne sie im Inhalt zu billigen. Doch einerlei: Erfolg ist Erfolg beim "Dealmaker", nur darauf kommt es an.

Erfolg ist Erfolg, auch für Sebastian Kurz. Er bekam mit Sicherheit weit mehr Aufmerksamkeit, als sie ein Regierungschef eines kleinen Staates normalerweise erwarten kann. Dass ihm seine Kontakte mit prominenten Rechtspolitikern in Europa die Tür ins Weiße Haus geöffnet haben könnten, ist eine in diesen Tagen vielfach kolportierte Einschätzung. Zum Nachteil wird es Kurz wohl nicht gereicht haben. Wichtig ist jetzt vor allem, dass Trump wohlwollender als zuletzt über das Verhältnis seiner Nation mit Europa nachdenkt. Wenn das passiert, dann war Kurz tatsächlich erfolgreich, dann war sein Besuch tatsächlich wichtig. Nämlich für Europa. (Gianluca Wallisch, 21.2.2019)