Wien – Ein Jahr nach der Ermordung des investigativen Journalisten Ján Kuciak in der Slowakei haben österreichische Journalisten-Organisationen die Regierung in Bratislava zur "vorbehaltlosen Aufklärung" aufgerufen. Der slowakische Radiojournalist Tibor Maciak forderte in Wien die Aufdeckung der Auftraggeber des Anschlags, bei dem am 21. Februar 2018 auch Kuciaks Verlobte Martina Kusnirova getötet wurde.

Fünf Personen seien inzwischen hinter Gittern, und in der Slowakei habe man die Hoffnung, dass auch die Hintermänner dieser Morde gefasst und vor Gericht gestellt würden. "Wir versuchen, der Polizei noch eine Chance zu geben", erklärte Macak Mittwochabend bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC), von Reporter ohne Grenzen-Österreich (ROG), und der Vereinigung Europäischer Journalisten (AEJ). Macak ist Generalsekretär des AEJ.

"Positive Mobilisierung"

Der Mord an Kuciak, der im Besonderen über die Machenschaften der italienischen Mafia und die damit verbundene Veruntreuung von EU-Geldern recherchierte, hatte in der Slowakei ein Welle von großen Demonstrationen ausgelöst und zu politischen Rücktritten geführt. Macak spricht in seiner Bilanz ein Jahr danach von einer "positiven Mobilisierung" des Volkes. Die Journalisten ließen sich nicht abschrecken. "Im Gegenteil, der investigative Journalismus hat einen Aufschwung erfahren."

Kuciak habe auch über die slowakische Mafia recherchiert, nicht nur über die Aktionen der italienischen Mafia im Land, präzisierte Macak. "Die Oligarchen haben ihre Verbindungsleute in der slowakischen Politik." Der frühere Premier Robert Fico habe "das Klima vergiftet" und Journalisten beschimpft. Fico war einige Wochen nach dem Kuciak-Mord als Regierungschef zurückgetreten, aber an der Spitze der Regierungspartei SMER verblieben. Macak erwähnte, dass Fico kürzlich sich selbst als Präsident des Verfassungsgerichtshofs vorgeschlagen habe ("Der Vorsitzende dieses Gerichts wird vom Staatspräsidenten ernannt"), dann aber seine Kandidatur zurückgezogen habe.

Macak führte weiter aus: "Täglich kommen neue Korruptionsfälle ans Licht." Darum sei auch "verständlich, dass Politiker nervös werden." Im Gegensatz zu Ungarn befinden sich nach den Ausführungen des AEJ-Generalsekretärs die wichtigen Printmedien der Slowakei in privater Hand, auch die öffentlich-rechtlichen Medien berichten über die Korruption. Freilich: Viele Politiker seien nicht bereit, sich den Fragen von Journalisten zu stellen, sondern beschränkten sich auf Statements und Aussendungen.

Resolution kritisiert Einschränkung der Pressefreiheit

In ihrer gemeinsamen Resolution zum Jahrestag des Kuciak-Mordes beklagen ÖJC, ROG-Österreich und AEJ: "Die Regierungspartei SMER bringt nicht nur Gesetze ein, die die Pressefreiheit in dem EU-Mitgliedsstaat Slowakei einschränken, sie tut so gut wie nichts, um die Aufklärung des Doppelmordes zu forcieren." Zugleich sei höchst bedauerlich, dass die slowakische Regierung weitere Maßnahmen zur Einschränkung der Pressefreiheit plane. Auch wird bedauert, "dass die Gremien der EU nichts unternehmen, Regierungen, in deren Ländern Morde an Journalistinnen und Journalisten geschehen, in die Pflicht nehmen." Dies gelte für die Slowakei ebenso wie für Malta und für beitrittswillige Länder. Die Resolution wurde von Österreichs ROG-Präsidentin Rubina Möhring, ÖJC-Präsident Fred Turnheim, AEJ-Präsident Otmar Lahodynsky und AEJ-Generalsekretär Tibor Macak unterzeichnet.

Eine weitere Resolution in der Causa Kuciak wurde von zehn internationalen Organisationen, darunter der PEN-Schriftstellerverband, South East Europe Media Organisation (SEEMO), ROG und AEJ, veröffentlicht. In der Entschließung wird eine Untersuchung der Verantwortung der staatlichen Behörden in der Slowakei gefordert. Kuciak habe Todesdrohungen erhalten, die unbeachtet blieben. (APA, 21.2.2019)