Astronomen nennen ihn "den Mond, den es nicht geben sollte". Seine bisherige Bezeichnung lautete S/2004 N1. In einer aktuellen Publikation im Fachblatt Nature erhielt der zuletzt entdeckte Trabant des Planeten Neptun schließlich den Namen Hippocamp.
Er teilt sich folglich seinen Namensvetter mit dem Seepferdchen – lateinisch Hippocampus – und einem zentralen Teil des Gehirns. Das Meeresungeheuer Hippocamp entstammt ursprünglich der griechischen Mythologie. Das Fabelwesen wird meist mit einem Pferdevorderkörper und einer Fischrückflosse darstellt.
Weder Fleisch noch Fisch, diese Analogie könnte auch für den Neptunmond bemüht werden. Denn mit einem Durchmesser von nur 34 Kilometern ist er eigentlich zu klein, um dauerhaft zu existieren – jeder größere Gesteinseinschlag könnte ihn zertrümmern.
Folgenreicher Impakt
Wie Hippocamp überhaupt entstanden ist und warum er immer noch existiert, diese Fragen beschäftigen Mark Showalter vom kalifornischen Seti Institute und seine Kollegen seit 2013. Damals hat Showalter den 14. Mond des Neptuns in Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops entdeckt.
Erste Hinweise auf den Trabanten gab es bereits 2004. Neue Analysetechniken machten es nun möglich, etwas mehr Klarheit über die rätselhafte Existenz von Hippocamp zu erlangen. Wie die Forscher herausfanden, dreht dieser seine Runden nur etwa 12.000 Kilometer innerhalb der Umlaufbahn des zweitgrößten Neptunmondes Proteus.
"Wir hätten nicht erwartet, so einen kleinen Mond so nah neben Neptuns größtem innerem Mond zu entdecken", sagt Showalter. Auf Proteus wurde zudem 1989 ein ungewöhnlich großer Einschlagkrater gesichtet, der den Namen Pharos erhielt. Große Mengen an Gestein müssen daraus ins All geschleudert worden sein.
Aus Trümmern entstanden
Das Team um Showalter vermutet nun, dass sich Hippocamp aus den Einschlagtrümmern gebildet hat. Sein Volumen beträgt nur zwei Prozent der fehlenden Materie des Kraters. "1989 dachten wir, dass Pharos das Ende der Geschichte sei", sagt Showalter. "Mit den Hubble-Daten wissen wir jetzt, dass ein kleines Stück von Proteus zurückgeblieben ist, und wir gehen davon aus, dass es sich dabei um Hippocamp handelt."
Wegen seiner kleinen Größe vermuten die Forscher, dass Hippocamp in den vergangenen vier Milliarden Jahren womöglich bis zu neunmal durch Einschläge zerbröselte und sich dann aus den Bruchstücken wieder formierte. Es kann aber auch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass Hippocamp unabhängig von Proteus entstanden ist. Aufgrund seiner extrem kleinen Größe und Nähe zu seinem Nachbarn erscheint den Forschern dieses Szenario allerdings eher unwahrscheinlich.
Voyagers Erbe
Nur drei Wochen nach der Entdeckung von Neptun selbst im Jahr 1846 wurde sein erster Mond, Triton, aufgespürt. 1989 hatte die Nasa-Raumsonde Voyager 2 sechs Monde fotografiert, die innerhalb der Umlaufbahn des Neptuns kreisen. Hippocamp ist als siebenter innerer Mond damals offenbar übersehen worden. Weiter außen umkreisen noch sieben andere Monde den Neptun.
Von der Erde aus betrachtet, ist Hippocamp ein wahrer Winzling. Selbst in den Aufnahmen des leistungsstarken Hubble-Weltraumteleskops war der Mond nur als unscharfer Punkt auszunehmen.
Die neuesten Erkenntnisse legen nahe, dass auch die Entstehung der anderen inneren Monde des Neptuns stark von Einschlägen geprägt worden sind. Sie eröffnen einen neuen Blick auf den äußersten Planeten unseres Sonnensystems und seine zahlreichen Trabanten. (Tanja Traxler, 21.2.2019)