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Gewalt auf dem Kiewer Maidan vor fünf Jahren.

Foto: AP / Sergei Chuzavkov

Auf dem Maidan erinnert nur wenig an den Aufstand vor fünf Jahren. An den Bäumen der Allee der Himmlischen Hundertschaft, die zum zentralen Platz hinunterführt, hängen noch die Fotos von toten Demonstranten. Auf der Straße haben die Kiewer zum Gedenken Windlichter aufgestellt und Pflastersteine aufgestapelt, mit denen die Aufständischen damals gegen die Sondereinheit Berkut vorgingen. Doch die meisten Passanten hetzen an dem inzwischen gewohnten Bild vorbei, zur Arbeit oder zur Uni. Feierstimmung herrscht in Kiew nicht.

Viktor Janukowitsch, gegen dessen Kleptokratie sich die Ukrainer damals empörten, ist verjagt. Seit Jahren sitzt er im russischen Exil. Zuletzt meldete er sich mit einem offenen Brief, in dem er seinem Nachfolger Petro Poroschenko mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag drohte und ihm Volksverhetzung und Beschneidung der Religionsfreiheit vorwarf. Doch Janukowitschs Einfluss ist minimal: Der 68-Jährige wurde gerade erst selbst von einem Kiewer Gericht in Abwesenheit wegen Hochverrats und Beihilfe zu einem Angriffskrieg zu 13 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess war juristisch umstritten, doch dem Ex-Präsidenten trauert in Kiew niemand nach.

Warnung an Moskau

Auf der anderen Seite hat auch die Nachfolgeregierung wenig Erfolge aufzuweisen. Von der Tribüne der UN-Vollversammlung machte Poroschenko am Mittwoch einmal mehr den Nachbarn Russland für die Probleme der Ukraine verantwortlich. Der Amtsinhaber warnte vor einer "weiteren Eskalation bis hin zum Niveau eines vollständigen Kriegs".

Natürlich sind der Verlust der Krim und der Konflikt im Donbass eine schwere Hypothek für die Führung in Kiew. Doch an den sozialen Problemen und der Unzufriedenheit in den anderen Landesteilen ist mitnichten Moskau schuld.

Langsame Erholung nach langer Krise

2018 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Zentralbank um 3,3 Prozent gestiegen. Wirtschaftsminister Stepan Kubiw verkündete stolz, dass die Wirtschaft das zwölfte Quartal in Folge wachse: "Jetzt können wir sicher prognostizieren, dass das reale BIP mittelfristig steigen wird. 2020 um 3,8 Prozent, 2021 um 4,1 Prozent."

Allerdings hat die Ukraine erst dann wieder das Wirtschaftsniveau von 2013 erreicht, dem letzten Jahr vor der großen Krise. Die Inflation lag dabei bei 9,8 Prozent, was vor allem die ärmeren Ukrainer traf. Da in den Vorjahren das Preiswachstum sogar jeweils zweistellig war – mit dem absoluten Rekord von 43,3 Prozent im Jahr 2015 –, sind große Teile der Bevölkerung verarmt. Dafür sind auch drastische Tarifanhebungen beim Gas verantwortlich.

Kiew ist sich der Unpopularität der Maßnahmen bewusst, konnte jedoch kaum gegensteuern, hängt die Regierung doch selbst am Tropf der IWF-Kredite, der harte Vorgaben zur weiteren Vergabe macht. Vor der Präsidentschaftswahl am 31. März spielen soziale Themen daher eine zentrale Rolle. Sowohl die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko als auch der jüngst in Umfragen führende Komiker Wolodymyr Selenskyj spielen auf das Thema soziale Ungerechtigkeit an.

Zielscheibe

Poroschenko bietet dafür eine ideale Zielscheibe. Der Oligarch hat sich entgegen seinen Wahlversprechen vor fünf Jahren immer noch nicht von seinem Firmenimperium getrennt. Der Kampf gegen die Korruption wird von vielen Ukrainern als Instrument zur Ausschaltung politischer Gegner und Business konkurrenten wahrgenommen. Zudem vertiefte er nur den Graben zwischen Ost- und Westukraine. Die Chancen auf eine Wiederwahl sind gering. (André Ballin, 22.2.2019)