Laibach gaben in der Wiener Simm City Lieder des verstörenden Musicals "The Sound of Music" zum Besten.

Foto: Miro Majcen

Das interessanteste an einem Frankfurter Würstchen ist ja: In Österreich ist weitgehend nicht bekannt, dass es auf der ganzen Welt eigentlich Wiener Würstchen heißt. Das macht die Sache zwar auch nicht besser, zwei Seiten einer Medaille ermöglichen allerdings Missverständnisse. Missverständnisse machen das Leben interessant. Erst recht mit Krenreiben und beim Senf auf die Tube drücken.

So ähnlich (oder auch anders) verhält es sich wohl auch mit dem Musical The Sound of Music. Das US-Coming-of-age- und Refugee-Musical über die Flucht der Familie Trapp aus Nazihausen in die Freiheit und Richtung fröhlicher Kreistanz auf Almwiesen kann man heiter deuten – oder auch ziemlich dunkel. Schlecht bleibt es allemal, obwohl es unserer schönen Heimat seit 1965 Touristen aus aller Welt zutreibt.

Singalongs mit pädophilem Unterton

Aus dem Kontext gerissen und mit dem vom Johannistrieb befeuerten, höllenschlundtiefen Gegrunze eines Best-Agers interpretiert, erweisen sich Lieder aus The Sound of Music wie The Lonely Goatherd oder Sixteen Going On Seventeen speziell in den Versionen des slowenischen Kunstkollektivs Laibach als erheblich verstörende Singalongs mit pädophilem Unterton: "You need someone older and wiser, telling you what to do!"

Laibach

Laibach haben in den 1980er-Jahren erfolgreich an der Zerstörung Jugoslawiens durch die Interpretation des steirischen Volkslieds Live is Life gearbeitet und Totalitarismusstudien zwischen Reichsparteitag und Mitpasch-Rock betrieben. Zu sinistrem Technorock marschierten die lustigen Schnürstiefel, die die heutige Trachtenmode der heimatverbundenen Carport-Älpler schon um Jahrzehnte vorweg- und auf die Schaufel nahmen, durch zünftige Popklassiker wie Let It Be von den Beatles, Sympathy For The Devil von den Stones, den musikalischen Gottseibeiuns Jesus Christ Superstar oder Johann Sebastian Bachs Die Kunst der Fuge. Schließlich wurden diverse Nationalhymnen inklusive einer prächtigen Version des italienischen Heulschlagers Mama Leone ironisch gebrochen.

Mute

Man kam über die Jahre allerdings ein wenig in die Gefahr, als One-Trick-Pony auf diversen Gothic-Festivals im Osten zu enden, mit dem Laibach Ende der 1980er-Jahre ja auch ein wenig mit untergegangen waren. In der Wiener Simm City zeigten Laibach nicht nur alte Größe in Form seit ewig nicht mehr live gespielter, in Slowenisch vorgetragener Songs aus den alten grimmigen Industrialtagen wie Smrt Za Smrt (Tod für Tod) oder Mi Kujemo Bodocnost (Wir formen die Zukunft).

Die Pet Shop Boys auf Valium

In der ersten Hälfte wurden die fürchterlichen Musicalsongs von The Sound of Music, die sie 2015 als erste westliche Band auch nach Nordkorea führte im beherzten Elektropopformat vorgetragen. Die Pet Shop Boys auf Valium. Der Grunzgesang machte die Hosen flattern. Beim letzten Song setzte sich Sänger Milan Fras einen Cowboyhut auf und gurgelte auf einem elektrischen Bullen Richtung Sonnenuntergang reitend den Countrysong Love is Still Alive. Das war sehr wahrscheinlich ironisch gemeint. (Christian Schachinger, 22. 2. 2019)