Es war unbestritten eines der kirchengeschichtlich wichtigsten Ereignisse. Womit sich auch die Erwartungshaltung rund um den viertägigen Missbrauchsgipfel etwa auf Höhe der Kuppelspitze des Petersdoms einpendelte. Erwartungen, die Papst Franziskus gemeinsam mit den 114 Vorsitzenden der weltweiten Bischofskonferenzen nicht erfüllen konnte. Zu viel ist passiert, zu lange wurde geschwiegen, zu lange wurden die klerikalen Missbrauchstäter geschützt, zu lange die Opfer nicht gehört.

Das Geschehene ist in seiner Tragweite unfassbar. Wenn es überhaupt so etwas wie Wiedergutmachung gibt, ist diese nicht in wenigen Tagen zu erreichen. Und doch war die Einberufung der Leitungsebene nach Rom ein wichtiger Schritt. Offen wie selten zuvor hat sich Gottes irdische Führungsriege dazu bekannt, dass der Fehler im System liegt.

Es sind letztlich nicht perverse Einzeltäter im Talar, die die katholische Kirche über Jahrzehnte zu einem Hort abscheulicher Gewalttaten gemacht haben. Die Ursachen der sexualisierten Gewalt und die bewusste Vertuschung liegen zu einem wesentlichen Teil im klerikalen Autoritätssystem. Der jahrelange Missbrauch von Kindern, Jugendlichen, Männern und Frauen ist kein Teilproblem, das es gesondert zu behandeln gilt – es offenbart ein Grundproblem der katholischen Kirche. Unter dem Dach der Barmherzigkeit wurden Täter ohne (kirchen-)rechtliche Konsequenzen geschützt, durften weiter ihren scheinheiligen Dienst tun und den Schäfchen in Sachen Sexualmoral die Richtung vorgeben.

Verbindliche Regeln

Um wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, muss Rom jetzt verbindliche Regeln im Umgang mit Missbrauchstätern vorlegen. Zwingend braucht es im Codex Iuris Canonici, dem Gesetzbuch der Kirche, entsprechende Strafmaßnahmen, eine deutlich engere Zusammenarbeit mit weltlichen Gerichten und vor allem die Sicherheit, dass Täter nicht mehr als Priester tätig sein dürfen. Und man müsste sich endlich dazu durchringen, den Pflichtzölibat abzuschaffen. Denn sexuelle Einsamkeit mündet nicht selten in einem gefährlichen Nähe-Distanz-Problem.

Viele haben auf ebendiese konkreten Änderungen gehofft – und waren vom Missbrauchsgipfel und speziell von der wenig konkreten Rede des Papstes enttäuscht. Die lauten Protestrufe übertönten aber auch erstaunlich selbstkritische Beiträge diverser Teilnehmer. José Horacio Gómez, Erzbischof von Los Angeles, forderte etwa die Konferenzteilnehmer auf anzuerkennen, "dass der Feind im Inneren" sei, sein Kollege Oswald Gracias aus Indien fasste die Misere in dem Satz zusammen: "Wir haben versagt."

Es war vielleicht nicht der große Wurf, aber ein Treffen mit Symbolcharakter. Ein gemeinsames Erwachen in Rom. Papst Franziskus hat den Finger auf die große Wunde gelegt, um die Schmerzen spürbar zu machen. Jetzt gilt es, nicht mehr nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern das Übel an der Wurzel zu packen. (Markus Rohrhofer, 24.2.2019)