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Marihuana als Medizin wird derzeit intensiv beforscht. In Uruguay, den Niederlanden, Israel und Canada ist der Einsatz erlaubt.

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Cannabis als Medizinprodukt ist derzeit ein häufiges Gesprächsthema. Typischerweise ist die Pflanze gut verträglich, wirkt schmerzlindernd, beruhigend und appetitanregend. Beispielsweise bei einer Krebserkrankung oder bei multipler Sklerose kann es damit Patienten sehr helfen. Der Konsum von Cannabis kann allerdings auch gefährliche Folgen haben. Immer wieder entwickeln Menschen sogar Psychosen.

Bei einer Psychose tritt eine starke Störung der Wahrnehmung auf. Dies kann sich als Wahnvorstellung, Halluzination oder Realitätsverlust äußern. Auch sogenannte Ich-Störungen können auftreten, bei denen die Grenze zwischen Ich und Umwelt gestört ist. Beispielsweise gehören hierzu Wahrnehmungen von Fremdsteuerung von Körperfunktionen, Gedankeneingebung oder auch die Derealisation, bei der ein Gefühl der Unwirklichkeit eintritt.

In den Genen

Bisher ist unklar, ob es eine Veranlagung gibt, die eine psychotische Reaktion auf Cannabis wahrscheinlicher macht. Es könnten theoretisch aber auch andere individuelle Ursachen zu dieser Nebenwirkung führen. Beispielsweise steht auch die Häufigkeit des Gebrauchs als Risikofaktor für Psychosen im Verdacht.

Um abzuschätzen, ob eher genetische oder andere Elemente die Entwicklung von Psychosen durch Cannabisgebrauch ermöglichen, untersuchten Forscher nun Zwillinge (die die gleichen genetischen Anlagen teilen) und Geschwister, die nicht Zwillinge sind, also genetisch deutlich unterschiedlichere Voraussetzungen mitbringen. Diese wurden in detaillierten Interviews befragt und füllten zusätzlich Fragebögen zur Häufigkeit des Cannabisgebrauchs aus.

In dieser sogenannten Querschnittsstudie wurden Daten von zwei unterschiedlichen Gruppen von Zwillings- und Nichtzwillingsgeschwisterpaaren zusammen analysiert. Eine dieser Gruppen bestand aus 1188 Teilnehmern, die andere aus 3486 Teilnehmern. Insgesamt konnten also Daten von 4674 Menschen analysiert werden.

Gebrauch und Missbrauch

Aus den Berichten und Daten dieser Menschen wurden drei Elemente analysiert: ob die Teilnehmer Cannabis häufig genutzt hatten (zum Beispiel 100 Mal), ob ein krankhafter Cannabismissbrauch (also eine Abhängigkeit) ärztlich diagnostiziert worden war und das Ausmaß des aktuellen Cannabisgebrauchs. Aus diesen Daten sowie den genetischen Informationen wurde das Risiko für psychotische Erfahrungen infolge des Cannabiskonsums geschätzt, je nachdem, ob die Geschwister gleich häufig oder unterschiedlich stark Cannabis nutzten.

Das durchschnittliche Alter der 4.674 Teilnehmer war 30,5 Jahre. 2.923 (62,5 Prozent) waren Frauen. Die Analyse zeigte deutliche Muster: psychotische Erfahrungen hingen mit häufigem Cannabiskonsum zusammen und entsprechend auch mit einem diagnostizierten krankhaften Cannabismissbrauch. Allerdings zeigten sich psychotische Erfahrungen häufiger bei den Teilnehmern, die aktuell Cannabis gebrauchten.

Wie stark stand nun die genetische Veranlagung im Zusammenhang mit möglichen Psychosen? Die Veranlagung konnte immerhin einen großen Teil der gefundenen Ergebnisse erklären: Zwillingspaare reagierten häufiger ähnlich auf den Cannabiskonsum als Geschwisterpaare, die nicht Zwillinge waren. Genetische Veranlagungen spielten demnach eine deutlich Rolle.

Argumente in der Legalisierungsdebatte

Bei den Geschwisterpaaren, bei denen die Geschwister unterschiedlich häufig konsumierten (308-324 Paare), traten psychotische Erfahrungen häufiger bei dem Geschwisterteil auf, der mehr Cannabis konsumierte. Geschwister mit einem häufigen und einem seltenen Nutzer unterschieden sich also klar in der Wahrscheinlichkeit, psychotische Erfahrungen zu haben.

Fazit: Für die psychotischen Nebenwirkung von Cannabis ist stark von der genetischen Veranlagung bestimmt. Bestimmte Menschen haben also eine vererbte Tendenz dazu, infolge des Gebrauchs von Cannabis psychotische Erfahrungen zu machen. Allerdings war auch die Nutzungsfrequenz, also wie häufig Cannabis konsumiert wurde, ein Risikofaktor: innerhalb von Geschwisterpaaren mit unterschiedlich häufigem Gebrauch konnte dies erklären, welches Geschwister eher psychotische Erlebnisse hatte.

Die Ergebnisse bieten damit eine Diskussionsgrundlage auch für Legalisierungsdebatten: mit hoher Häufigkeit der Nutzung geht offenbar ein höheres Risiko für psychische Nebenwirkungen einher. (red, 26.2.2019)