Was hat ein Wiener Schnitzel mit dem Studium in Österreich zu tun? Laut studyinaustria.at sind Essen und Trinken ein wesentlicher Grund für ein Studium hierzulande, neben Lebensqualität, sozialer Sicherheit, Landschaft, Kunst und Kultur, Sport und Architektur.

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Der Österreichische Austauschdienst (OeAD) ist seit dem Jahr 2009 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingerichtet, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich steht. Ziel dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist laut ihrer Website die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung.

Auf studyinaustria.at werden Interessierten zehn wesentliche Gründe für ein Studium in Österreich genannt, darunter die aus Österreichs historischer Mischung aus Nationalitäten und Esskulturen hervorgegangenen Spezialitäten Wiener Schnitzel, Kasnocken, Kaiserschmarrn, Apfelstrudel und Sachertorte sowie großer kultureller Reichtum und Diversität – und nicht zuletzt das verheißungsvolle Versprechen einer unvergesslichen sozialen Erfahrung.

Der OeAD berät unter anderem internationale Studierende bei allen Rechtsfragen rund um ihre Einreise und ihren Aufenthalt in Österreich. Ob auch die Lex Kickl, die vorsieht, dass das Recht der Politik zu folgen hat, in diese Beratungen einfließt, kann der Website nicht entnommen werden, wäre aber für interessierte Studierende sicher hilfreich. Sie haben nämlich für die Erteilung des notwendigen Aufenthaltstitels ausreichende Unterhaltsmittel nachzuweisen und sollten vorab informiert werden, dass Einkommensnachweise ihrer Eltern und Kontoauszüge dafür nicht ausreichen.

Inhaltsleere Begründung

Wer so naiv ist zu glauben, dass ein den Eltern von einem US-amerikanischen Dienstgeber ausbezahltes Jahresgehalt in Höhe von 36.000 Euro ausreicht, um ein Studium in Österreich zu finanzieren, hat nicht mit der profunden Beurteilung dieser Sachlage durch die Wiener Magistratsabteilung 35 gerechnet. Diese stellt nach intensiver, fünfmonatiger Bearbeitung des Antrags (gemäß Paragraf 64, Absatz 6 NAG sind Anträge unverzüglich, längstens aber binnen drei Monaten zu erledigen!) zu den Geldmitteln fest:

"Die Magistratsabteilung 35 kann in den nachgereichten Unterlagen keinen glaubwürdigen Nachweis über die Herkunft des vorgelegten Sparguthabens erkennen, da die diesbezüglich abgegebenen Unterlagen in Ermangelung weiterführender und den behaupteten Sachverhalt stützender Dokumente einer tiefergehenden Authentizitätsprüfung nicht standhalten. Auch sind manche Unterlagen nicht geeignet, der Behörde in plausibler und selbsterklärender Weise zu vermitteln, woher Ihr vorgelegtes Sparguthaben tatsächlich resultiert."

Unvergessliche Erfahrung

Solch eine Begründung ist für die Betroffene tatsächlich die versprochene unvergessliche soziale Erfahrung. Ihr und vielen anderen in vergleichbaren Situationen wird klar vermittelt, dass sich die zuständige Behörde nicht einmal mehr die Mühe machen muss, einen abweisenden Bescheid zu begründen, sondern ein immer wieder verwendeter Textbaustein ausreicht, um den unerwünschten Aufenthalt internationaler Studierender zu verhindern.

Diese Absicht kann die Politik blöderweise nicht direkt in das – vom Parlament gehorsam zu erlassende – Gesetz schreiben, aber Behörden und Gerichte sind ja dafür da, der Politik zu folgen, also wird der Schein gewahrt und ein Grund für die Ablehnung gesucht. Leider kann dem Bescheid nicht entnommen werden, wie die "tiefergehende Authentizitätsprüfung" erfolgt ist. Der Familie der Betroffenen war bisher nicht bewusst, dass ihr Einkommen "unauthentisch" sei, wurde doch das damit verdiente Geld unter anderem in Österreich immer gern angenommen.

Dass in einem funktionierenden Rechtsstaat eine nichtssagende und inhaltsleere Begründung eine Entscheidung niemals tragen kann, spielt im Land der historischen Mischung aus Nationalitäten und Esskulturen keine Rolle. Das mit der Unteilbarkeit der Rechte und der Würde aller Menschen ist ja doch sehr mühsam und kann bei den Ausländern nicht ganz ernst gemeint gewesen sein. Wer weiß, ob diesen fremden Menschen Wiener Schnitzel, Kasnocken, Kaiserschmarrn, Apfelstrudel und Sachertorte überhaupt geschmeckt hätten.

Bürgerliche Werte?

Warum Behörden und Gerichte mit derartigem Eifer an der eigenen Demontage mitwirken, bleibt aber ebenso rätselhaft wie die Begeisterung jener, die davon überzeugt sind, dass es nur die anderen trifft, und die nicht begreifen, dass es in einem System der Willkür mehr Verlierer als Gewinner gibt und am Ende nur jene fünf Prozent, die es sich richten können, profitieren. Zumindest die Mitarbeiterinnen des jährlich mit rund 13 Millionen Euro (davon fast drei Millionen von der "bösen" EU) finanzierten OeAD werden auch dann noch beschäftigt werden, wenn keine ausländischen Studierenden mehr nach Österreich kommen. Mit der notwendigen Neugestaltung der OeAD-Website kann dann endlich der unnötige Hinweis auf die Diversität der österreichischen Gesellschaft entfernt werden.

Der Zustand eines Landes, in dem ausländische Studierende mit kulinarischen Verlockungen und nicht mit Leistungen der heimischen Universitäten überzeugt werden sollen, ist besorgniserregend. Kritik wird nur als Störung der Euphorie im neu regierten Österreich empfunden und ist daher unerwünscht. Wenn dann noch die jüngsten Entwicklungen als Erstarken bürgerlicher Werte – siehe Andreas Khol und Herwig Hösele zuletzt an dieser Stelle in ihren Kommentaren der anderen – dargestellt werden, erreicht die Verhöhnung der Betroffenen ihren vorläufigen Höhepunkt. Aber die Bewahrer der "bürgerlichen Werte" können zumindest teilweise zufrieden sein: Die ungeschriebene Lex Kickl wird nämlich ausgerechnet im rot-grün regierten Wien besonders konsequent umgesetzt. (Wilfried Embacher, 25.2.2019)