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In ihren letzten Lebensjahren senden Sterne als Rote Riesen enorme Mengen an Materie aus. Bislang unsichtbare Sternenpartner spielen dabei eine prägende Rolle, wie neue Beobachtungen zeigen.

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"Die Doppelsternpartner sind nicht nur häufiger als angenommen, sie verändern die letzten Lebensphase von Sternen nachhaltig", sagt Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik an der Universität Wien.

Foto: Karl Leitner

Mit dem Alma-Radiointerferometer konnte beobachtet werden, dass Rote Riesen in ihren letzten Lebensjahren spiralförmig Materie ausstoßen. Das kann nur an einem Doppelsternpartner liegen, der in der Staubhülle verborgen ist.

Foto: Alma

Das Alma-Radiointerferometer der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile hat die jüngsten Beobachtungen zu Roten Riesen möglich gemacht.

Foto: Universität Wien

Das Leben eines Sterns ist über lange Zeiten hinweg zumeist recht beschaulich. Betrachten wir beispielsweise die Sonne: Seit rund fünf Milliarden Jahren fusioniert in ihrem Kern Wasserstoff zu Helium. Dabei wird relativ konstant Strahlung abgegeben – und das ist gut so, jedenfalls für uns. Würde die Sonneneinstrahlung stark schwanken, wäre Leben auf der Erde in der jetzigen Form unmöglich.

In der letzten Lebensphase von massearmen Sternen wie der Sonne geht es dafür umso rasanter vonstatten. Ihre Ausdehnung wird in etwa fünf Milliarden Jahren auf das Hundertfache anwachsen. In diesem Stadium als Roter Riese wird sie wohl oder übel auch die Erde verschlingen.

Vermeintliche Superwinde

Bisher gingen Astronomen davon aus, dass Rote Riesen in ihren letzten paar Hundert Lebensjahren enorme Mengen an Gas und Staub in ihre Umgebung blasen – die sogenannte "Superwind-Phase". Bis zu 100 Erdmassen pro Jahr würden dabei abgegeben.

Selbst für Astronominnen und Astronomen ist das "eine unglaublich hohe Menge an Sternmaterie", sagt Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik an der Universität Wien. "Wir haben schon länger erfolglos nach einem passenden Auswurfmechanismus gesucht."

Unsichtbare Partner

Durch neue Beobachtungen mit einem der leistungsfähigsten Teleskope der Welt, dem Atacama Large Millimeter Array (Alma) in Chile, hat sich diese Suche nun erübrigt. Wie ein internationales Forscherteam um Kerschbaum aktuell im Fachblatt "Nature Astronomy" berichtet, scheint es den Superwind gar nicht zu geben. Die Messung von Verteilung, Menge und Geschwindigkeit der ausgesendeten Materie zeigte, dass sich Sternenpartner in der Hülle des sterbenden Sterns verstecken.

Etwa jeder zweite Stern, den wir am Himmel sehen, hat einen Partner, sagt Kerschbaum. "Wenn er ein schwacher Begleiter ist, merkt man von einem Doppelsternpartner oft lange Zeit nichts." Das Sternenpaar umkreist sich mitunter Jahrmilliarden in gleichbleibendem Abstand, ohne allzu großen Einfluss aufeinander zu haben. Die Situation verändert sich jedoch dramatisch, sobald der größere der beiden beginnt, zum Roten Riesen heranzuwachsen.

Prägender Einfluss

In dieser Phase hat der Sternenpartner prägenden Einfluss: Er bringt den Roten Riesen zum Wackeln, wodurch dieser spiralförmig Materie abgibt, wie sich bei zwei untersuchten Riesensternen in 4400 und 12.700 Lichtjahren Entfernung gezeigt hat. Die Ver dickung der Spiralarme wurde fälschlicherweise als Superwind interpretiert. Tatsächlich geben die sterbenden Riesen aber nur ein Zehntel der bisher angenommenen Menge ab. Kerschbaum: "Die Doppelsternpartner sind nicht nur häufiger als angenommen, sie verändern die letzten Lebensphase von Sternen nachhaltig."

Ermöglicht haben diese Entdeckung neue technische Möglichkeiten durch das Alma-Radio interferometer. "Mit dem neuen Gerät sehen wir das Universum auf neue Weise", sagt Kerschbaum. Dass daran auch heimische Forscher beteiligt sind, liege an Österreichs Mitgliedschaft bei der Europäischen Südsternwarte Eso.

Ende der Erde in der Sonne

In einem nächsten Schritt will das Forscherteam die letzten Lebensjahre von Roten Riesen, die keinen Doppelsternpartner besitzen, untersuchen. Bei solchen Objekten, zu denen auch einmal unsere Sonne zählen wird, könnte es sein, dass Planeten prägenden Einfluss nehmen.

"Solange unsere Sonne so klein ist wie jetzt, spürt sie von der Erde gar nichts", sagt Kerschbaum. "Wenn sich die Sonne aber weiter ausdehnt und die Erde schließlich verschluckt, dann wäre es durchaus möglich, dass die Erde am Ende ein bisschen umrührt an der Sonnenoberfläche."

Fünf Fragen an Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik der Universität Wien zur aktuellen Publikation:

STANDARD: Was wissen wir bisher über die letzten Lebensjahre von Sternen?

Kerschbaum: Sterne wie unsere Sonne entwickeln sich in den letzten hunderttausenden Jahren zu sehr großen Sternen. Die Sonne ist jetzt bei der Halbzeit ihrer Lebenszeit, gegen Ende hin wird sie sich um das Hundertfache ausdehnen und auch die Erde verschlucken. In dieser Phase wird der Stern instabil und gibt letztlich mehr als die Hälfte seiner Materie an die Umgebung ab. Am Schluss bleibt im Inneren des Sterns ein sogenannter Weißer Zwerg übrig. Aus dem ausgestoßenen Material entstehen neue Sterne und neue Planeten, vielleicht auch Leben. Denn dieses Material ist reich an schweren chemischen Elementen wie Kohlenstoff, Stickstoff oder Sauerstoff. Wir verdanken auch unsere Existenz diesem Massenverlust.

STANDARD: Welche Erkenntnisse haben Sie in der nun publizierten Arbeit erworben?

Kerschbaum: In unserer Arbeit geht es darum, wie sich dieser Massenfluss entwickelt. Ist er die ganze Zeit gleichmäßig groß, ist er gegen Ende besonders groß? Wir haben bis vor ein, zwei Jahren geglaubt, dass es gegen Ende einen ganz starken Massenverlust gibt und innerhalb von ein paar Hundert Jahren der Großteil der Materie ausgestoßen wird – der sogenannte Superwind. Das würde natürlich bedeuten, dass diese Phase nicht lange sein kann. Denn wenn in kurzer Zeit viel Masse verloren geht, ist bald die Materie aufgebraucht. Allerdings haben wir über die letzten Jahre relativ viele solche Sterne beobachtet, eigentlich zu viele für so eine kurze Lebensphase.

STANDARD: Wie lässt sich dieses Mysterium erklären?

Kerschbaum: Durch Beobachtungen mit dem Radiointerferometer Alma hat sich nun herausgestellt, dass die Materie nicht gleichmäßig davonfliegt, wie man es beim Superwind annehmen würde. Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass sich eine Spirale bildet, die nur durch einen Sternenpartner erzeugt werden kann. Die verdichtete Spirale haben wir zuvor für einen starken Wind gehalten. Doch es fliegt viel weniger Materie weg. Das bedeutet natürlich auch, dass diese letzte Phase länger dauert, als bisher angenommen.

STANDARD: Hat sich damit das Konzept der Superwinde erledigt?

Kerschbaum: Ja, wahrscheinlich schon. Wir haben aber bisher nur zwei Rote Riesen genauer angesehen, wir haben aber mehrere auf der Liste, die wir als Nächstes untersuchen wollen. Doppelsternsysteme spielen offenbar eine ganz wichtige Rolle – das hatten wir zuvor nicht bedacht.

STANDARD: Lassen die Beobachtungen, die dem aktuellen Paper zugrunde liegen, auch Rückschlüsse auf die letzten Lebensjahren unserer Sonne zu?

Kerschbaum: Indirekt ja. Die Sonne ist kein Doppelstern, aber sie hat Planeten. Riesenplaneten wie der Jupiter können durchaus eine ähnliche Rolle spielen wie Doppelsternpartner. Was wir als Nächstes machen werden, ist, dass wir uns bewusst Sterne ansehen, wo wir ziemlich sicher sind, dass sie keine Doppelsterne sind und vielleicht nur Planeten Einfluss auf sie nehmen. Wir wollen dadurch etwas mehr über die Zukunft unserer Sonne und ihrer Planeten erfahren. (Tanja Traxler, 25.2.2019)