Wenn die Politik beklagt, dass der Schwerverkehr über die Alpen explosionsartig angestiegen ist, dann stimmt das nur teilweise. Es ist richtig, die Brennerroute ist eine der wichtigsten Verkehrsadern im EU-Binnenmarkt. Über Inntal- und Brennerautobahn wurden laut jüngsten Zahlen aus 2017 an die 34 Millionen Tonnen Fracht gekarrt, während es auf den vier wichtigsten Alpenstraßenquerungen der Schweiz zusammen gerade einmal zwölf Millionen Tonnen sind.

Was wie eine Explosion aussieht, ist nicht wirklich eine. Denn auf diesem sehr hohen Niveau bewegte sich der Schwerverkehr bereits vor zehn Jahren. Die zwischenzeitliche Entlastung war lediglich der Finanz- und Wirtschaftskrise geschuldet.

Das ist kein Trost, ändert auch an der Belastung der Bevölkerung nichts. Sowohl die Eidgenossen als auch die Österreicher leiden unter Lärm und Luftverschmutzung. Ohne das Leid gegeneinander aufrechnen zu wollen: Jammern sollten die Österreicher besser nicht. Das Dilemma ist auch hausgemacht. Allein die steuerliche Begünstigung von Dieseltreibstoff wirkt als Magnet, sie macht für Frächter – in Kombination mit der im Vergleich zur Schweiz niedrigeren Maut – Umwege von hunderten Kilometern rentabel.

Niedrige Maut

In engen Grenzen wirkt das Schweizer Konzept, auf das nicht nur Österreichs Verkehrsminister seit einem Vierteljahrhundert neidisch schielen. Eine Einladung zum Kopieren sollte es dennoch nicht sein. Denn eine etwas höhere Straßenbenützungsabgabe allein – alles im Rahmen der überaus engen Grenzen der EU-Wegekostenrichtlinie – hält zu wenige Lkws fern. Hundert Euro mehr Maut zwischen Kufstein und Brenner auf einer Fahrt von Rotterdam nach Neapel sind schlicht nicht spielentscheidend.

Das Limitieren oder gar Aussperren des Schwerverkehrs, wie von der Schweiz praktiziert, ist im freien Warenverkehr des EU-Binnenmarkts wiederum keine Option. Bleiben als Hebel nur Gesundheit und Sicherheit, beide werden von der österreichischen Exekutive und Verwaltung aber nicht ansatzweise ausgereizt – wie so oft, um die heimische Transportwirtschaft zu schonen.

Verlorene Milliarden

Vor diesem Hintergrund nähren die Bahnmilliarden, die nach dem Vorbild der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale der Eidgenossen Jahr für Jahr in Brenner-, Koralm- und Semmeringbasistunnel gepumpt werden, eine Illusion. Die Kapazitäten auf den Scheitelbahnstrecken sind jetzt nicht ausgeschöpft, und sie werden es auch mit den Tunnels nicht sein. Denn die Verkehrspolitik verzichtet schon jetzt darauf, Container und Lkws auf die Bahn zu zwingen. Es gibt daher keinen Grund anzunehmen, dass sie sich in Zukunft – im Interesse der Bevölkerung – gegen die mächtigste Lobby in Brüssel, die Transportwirtschaft, auf die Schienen werfen wird. (Luise Ungerboeck, 25.2.2019)