In Österreich gibt es, wie ich immer mehr entdecke, einige schöne alte Traditionen des Einlegens, Sauermachens und Fermentierens. Aber ein Ferment überstrahlt natürlich alle anderen: das Sauerkraut. Ein nationales Heiligtum sozusagen. Üblicherweise gilt Sauerkraut vielerorts als das deutsche Nationalgericht. Was auch nicht ganz unrichtig ist, aber halt eher mit der Betonung auf unrichtig. Denn eigentlich kommt es aus China, war schon im antiken Griechenland bekannt, war ein fixer Bestandteil der jüdischen und osteuropäischen Küche, hat sich in den USA verbreitet und so weiter.

Foto: Ella Josephine Esque

Sauerkraut: Wichtig bei Seefahrt, Kriegen und als Arme-Leute-Essen

Sauerkraut ist ernährungsgeschichtlich ein wichtiger Eckstein, auf dem vieles und viele sich gestützt haben. Manche wissen wahrscheinlich um die Bedeutung des Sauerkrauts in der Geschichte der Seefahrt. Was nicht ganz so bekannt ist: Es war auch unersetzlich in der Geschichte der Kriegsführung. Und fast schon ganz vergessen ist, wie wichtig es in der Historie der einfachen Bevölkerung und Bauern war, um über den Winter zu kommen.

Fermentiertes Kraut war einfach das Arme-Leute-Essen in der kalten Jahreszeit. Und das trifft doppelt zu in so schwer zu bewirtschaftenden Gebieten wie den Alpen, in kargen ländlichen Gegenden oder für Leute, die sich sonst kaum etwas leisten konnten, nichts, außer halt ein paar Krauthäuptel.

In allen drei Fällen bot Sauerkraut viele Vorteile: Kraut ist eine robuste Pflanze und wächst auf fast allen Böden, auch im sehr rauen Klima und auf bis zu 1.000 Meter Seehöhe. Sauerkraut ist einfach, günstig und unkompliziert herzustellen. Es ist ein Gericht mit nur zwei Zutaten: Kraut und Salz. Theoretisch könnte man sogar auf Salz verzichten, es macht die Herstellung aber einfacher und sicherer. Man kann es unkompliziert und extrem lange lagern. Aber der allergrößte Vorteil: es schmeckt einfach köstlich.

Foto: Ella Josephine Esque

Was steckt alles in Sauerkraut?

Eine Portion, also circa 200 Gramm Sauerkraut, deckt die Hälfte des Tagesbedarfs an Vitamin C ab, weswegen es unverzichtbar in der Seefahrt, Kriegsführung war, oder um spärliche Winter zu überleben.

Sauerkraut besteht bis zu 90 Prozent aus Wasser, es ist sehr fettarm und enthält außerdem noch sehr viele Mineralstoffe wie Natrium und Kalium.

Es enthält Vitamin B12. Das ist für Vegetarier und Veganer (aber auch Fleischesser) besonders wichtig, weil dieses Vitamin eher nur in Fleisch und Fisch vorkommt. Sauerkraut ist durch den hohen Vitamin-B12-Anteil ein Anti-Winterdepressions-Essen.

Es wirkt regulierend auf den Darm und ist deshalb ein altes Hausmittel gegen Verstopfung. Es ist außerdem ein natürliches Probiotikum. Also so etwas wie ein Wellness-Programm für die Darmbakterien. Durch die vielen Milchsäurebakterien und Ballaststoffe hilft es beim Entschlacken.

Was noch nicht ganz bewiesen ist, aber immer wieder zum Thema wird: die sekundären Pflanzenstoffe des Sauerkrauts. Katharina Phillipp von der Abteilung Ernährungsmedizin an der Medizinischen Universität Wien sagt dazu: "Sie haben ein großes Potenzial, anti-kanzerogen zu wirken." Wenn das stimmt, dann wäre Sauerkraut auch noch gut gegen Krebs.

Fotos: Ella Josephine Esque

Warum ich Sauerkraut gern selber mache

Neudeutsch würde Sauerkraut als Super-Food bezeichnet werden. Oder noch besser, vom Jodlerklub Finsterwald, auf den Punkt gebracht: Sauerkraut macht sexy.

Das alles gilt natürlich nur, wenn man nicht pasteurisiertes Sauerkraut isst, und darum ist das Sauerkraut-Selbermachen die beste Idee. Und eigentlich auch gar nicht sehr schwer. Ich mag es gern, immer ein wenig Abwechslung zu haben, auch beim Sauerkraut. Deshalb habe ich mir angewöhnt, gleich mehrere Sorten zu machen, wenn ich schon mal dabei bin. Vier meiner liebsten Sauerkrautarten stelle ich nun hier vor: Sauerkraut klassisch, so wie es meine steirische Oma gemacht hat, goldenes Kurkuma-Sauerkraut, etwas poppiger das Za’atarkraut, und auch Rotkraut kann man köstlich verkrauten, also Rotes Sauerkraut oder Ruby-Kraut.

Equipment

  • Vier 1-Liter-Gläser. Folgende Gläser sind fermentiergeeignet: Gläser mit Bügelverschluss, Rex- beziehungsweise Weckgläser mit Klammern oder Gläser mit Gärspund
  • Gemüsehobel (Krauthobel, Japanische Mandoline, Reibeisen) oder ein scharfes Messer
  • ausreichend große Schüsseln und idealerweise vier Gewichte

Zutaten (für vier 1-Liter-Gläser)

Sauerkraut, klassisch

  • 1 Krautkopf (circa 1 kg)
  • 20 g unraffiniertes Salz
  • ½ TL Kümmel
  • ½ TL Wacholderbeeren
  • 2 Lorbeerblätter
  • ½ TL gelbe Senfkörner
  • optional eine halbe Quitte, optional 1 EL Maiskörner

Gold-Kraut

  • 1 Krautkopf (circa 800 g)
  • 20 g unraffiniertes Salz
  • 200 g Karotten
  • 30 g Ingwer
  • 1 TL Kurkumapulver
  • 1/2 TL Dillsamen
  • 1/2 TL Selleriesamen

Za’atarkraut

Ruby-Kraut

  • 1 Rotkrautkopf (circa 1 kg)
  • 20 g unraffiniertes Salz
  • 2 Lorbeerblätter
  • ½ TL Senfkörner
  • 1 TL Pimentkörner
  • 1 TL Pfefferkörner
  • optional eine halbe Quitte

Ein paar Worte zum Salz: Woher das Salz kommt, ist egal. Wichtig aber ist, es muss frei von Zusatzstoffen wie zum Beispiel Jod, Rieselhilfen und so weiter sein. Achten Sie dabei auf eine gute Qualität des Salzes, denn neben dem Luftabschluss schafft es die wichtigste Rahmenbedingung beim Fermentieren.

Fotos: Ella Josephine Esque

Zubereitung

Die äußeren Blätter der Krauthäuptel entfernen. Für jedes Glas zwei bis drei Blätter für später aufheben. Alle Krautköpfe vierteln, den Strunk herausschneiden, mit einer Reibe hobeln oder mit einem Messer fein schneiden. Rotes und weißes Kraut in extra Schüsseln geben.

Salzen: In die Schüssel mit dem Weißkraut (3 Kilo) kommen 60 Gramm Salz. In die Schüssel mit dem Rotkraut (1 Kilo) kommen 20 Gramm Salz. Alles gut vermischen, am besten auch schon mal leicht durchkneten. Für eine Stunde abgedeckt stehen lassen. In der Zeit hat das Kraut Zeit, Salz zu ziehen und weicher zu werden, das spart später die harte Knetarbeit.

Option 1: Das gesalzene Kraut drücken, kneten und stampfen, was das Zeug hält. Das ist sehr anstrengend und dauert. Nicht aufgeben! Wenn sich genug Flüssigkeit gebildet hat, das Kraut in die vier Gläser aufteilen. 

Option 2: Wer mutig (oder wie ich bequem) ist und einen passenden Bottich hat, gibt das Kraut dort rein und stampft Barfuß darauf rum, bis es genug Wasser lässt. Natürlich das Weiß- und Rotkraut extra „befußeln“.

Aus der Steiermark kenne ich die schöne alte Geschichte, dass ganze Familien sich eine Woche vor dem Sauerkrautmachen nicht die Füße gewaschen haben, weil es angeblich die besten Bakterien fürs Kraut bietet. Das ist für meinen Geschmack eher zu traditionell und deshalb wasche ich vorher meine Füße.

Sauerkraut, klassisch: Kümmel, Wacholderbeeren, Senfkörner und Maiskörner auf den Boden des Glases geben. Eine 1/2 oder 1/4 Quitte (je nach Größe) aufschneiden und dazugeben. Dann erst mit dem gestampften Weißkraut und dem Krautsaft auffüllen, oben circa drei Finger breit frei lassen. Die Gewürze auf den Boden zu geben hat den Vorteil, dass sie nicht nach oben schwimmen können. Denn diese "Floater" bergen ein Schimmel-Risiko. Also alle potenziellen Schwimmer immer auf den Boden geben. Die Maiskörner sind ein Geheimnis von meiner Oma: "Damit des Kraut net so blass wird!"

Gold-Kraut: Die Karotten grob, den Ingwer sehr fein reiben und mit dem Kurkumapulver zum restlichen Weißkraut geben. Alles noch einmal ordentlich kneten. Die Dill- und Selleriesamen auf den Boden des Glases schütten und mit dem Gold-Kraut auffüllen. Oben wieder drei Finger breit frei lassen! Wenn ein wenig Kraut übrig ist, schmeckt das auch frisch sehr gut als Salat.


Za’atarkraut: Zwiebel klein schneiden, Knoblauch pressen und beides mit der Za’atar-Gewürzmischung zum Kraut geben, gut durchkneten und ins Glas abfüllen.

Ruby-Kraut: Pfefferkörner im Mörser leicht aufbrechen, mit den Senfkörnern, Lorbeerblättern und Pimentkörnern auf den Glasboden geben. Darauf kommt die Quitte und darüber das rote Kraut samt Flüssigkeit. Oben drei Finger breit Platz lassen.

Dann die aufgehobenen Krautblätter gut waschen, passend für die Gläser in Form schneiden und je nach Farbe oben auf das Kraut legen, gut andrücken, bis die Flüssigkeit über den Blättern steht. Bei jedem Glas extra kontrollieren, dass die Flüssigkeit über dem Gärgut steht. Das ist wichtig, denn unter der Lake ist alles geschützt. Es soll keine Ecke rausstehen und auch nichts obenauf schwimmen. Dafür gibt es einen englischen Merksatz: "Under the brine is fine!"

Wer jetzt merkt, dass zu wenig Flüssigkeit da ist: Keine Panik. Einfach eine Zwei-Prozent-Salzwasserlösung anrühren und damit auffüllen. Glasrand gut reinigen. Das Kraut – wenn vorhanden – mit einem Gewicht beschweren. Glas schließen. Bei Zimmertemperatur stehen lassen. Fertig. 

Jetzt kommt der schwierigste Teil: Jetzt muss man warten. Ich mag Sauerkraut gern nach vier bis sechs Wochen. Das Kraut fängt schon nach zwei bis drei Tagen an, sich zu verändern, es blubbert, Bläschen steigen auf. Wer zu viel Gärgut eingefüllt hat, dem geht dieses über.

Im Hochsommer gebe ich das Sauerkraut manchmal schon nach drei Wochen an einen kühleren Ort. Durch die höhere Temperatur fermentiert es einfach schneller. Der kühle Ort ist bei mir der Kühlschrank, wer einen Keller hat, kann das Kraut dort lagern.

Foto: Ella Josephine Esque

Tipp: Beim Warten sollte man die Flüssigkeit an der Oberfläche immer gut beobachten. Manchmal entsteht Kahmhefe, die wenn man es nicht kennt, vielleicht ähnlich dem weißen Schimmel aussieht. Das ist nix Schlimmes, und auch nicht gefährlich, kann sich aber auf den Geschmack auswirken. Die Kahmhefe vorsichtig mit sauberem Besteck oder Sieb abschöpfen und das betreffende Ferment schnell verbrauchen. Bei Schimmel einfach alles entsorgen. Das passiert aber selten. Wer nicht weiß, wie der Unterschied zwischen Schimmel und Kahmhefe ausschaut, die Oma fragen oder im Internet nachschauen, da gibt es genug Vergleichsbilder und Erklärungen. (Ella Josephine Esque, 7.3.2019)