Ihr sei es ein Anliegen, sagt die 1964 im schweizerischen Schaffhausen geborene Künstlerin, "dass sich die gegenständliche Malerei mit der Zeit befasst".

Foto: Peter Hein

Gott ist eine App, und seine Jünger versammeln sich an der Gebetsmauer der freiwilligen Selbstüberwachung. "Poste deine Existenz" steht in großen Lettern über spiegelblanken Hochhausfassaden geschrieben, eine Smartphone-Madonna verkörpert digitale Heilsversprechen. Dass die ihren Preis haben, daran gibt es in Anna Meyers Bildern kaum etwas zu deuteln. Wer trotzdem noch zweifelt, bekommt einen "Twitler" mit Trump-Frisur serviert. Plakativ? Zweifellos.

Anna Meyers "Tower of Data" von 2018 ist Teil ihrer ausstellung im Kunsthaus Nexus in Saalfelden.
Anna Meyer/Galerie Krobarth

Meyers Malerei ist außerdem grellbunt, hyperventilierend, immer ein bisschen zu viel, zu trashig, zu parolenhaft. Und sie spiegelt gerade damit ziemlich raffiniert Oberflächlichkeit und Aufmerksamkeitsökonomie der Wisch-und-weg-Gesellschaft.

Punkattitüde

Auch angesichts anderer Entwicklungen dreht Meyer den Spieß gerne um. Unter dem Eindruck einer Politik, die sich zunehmend an der Entertainment- und Konsumkultur orientiert, hat sie sich schon vor einigen Jahren den Slogan "Paint to Politain" zurechtgezimmert. Auf ein T-Shirt gepinselt trägt sie ihn mit jener Punkattitüde, die wiederum auf zahlreiche Kollaborationen mit der Düsseldorfer Band Fehlfarben verweist.

Ihr sei es ein Anliegen, sagt die 1964 im schweizerischen Schaffhausen geborene Künstlerin, die seit 1986 in Wien lebt und arbeitet, "dass sich die gegenständliche Malerei mit der Zeit befasst". Die Unverblümtheit, mit der Meyer Gesellschafts- und Systemkritik formuliert, lässt daran keinen Zweifel.

In Anlehnung an Kants Kritik der reinen Vernunft nennt Meyer ihre aktuelle Einzelausstellung im Kunsthaus Nexus Kritik der digitalen Un Vernunft. Sprachliche Um- und Neudeutungen sind bei ihr auch sonst häufig die Faust aufs Auge gar nicht so eindeutiger Szenarien: In den urbanen Landschaften steht eigentlich vieles auf der Kippe von Realem zu Surrealem, von humoristischer zu defätistischer Bestandsaufnahme, von der Utopie zur Dystopie.

"Messie-Halde"

Mit Gelbwesten ausgestattete "Hopesters" sind ein noch recht junges Personal in diesen mit brennenden Fragen der Gegenwart möblierten Stadtlandschaften, die Meyer auch als dreidimensionale Modelle in den Raum stellt. Hier entwirft sie Motive, die später in den Malereien wieder auftauchen, oder greift sie von der Leinwand herunter wieder auf.

Video-Rundgang durch die Ausstellung mit der Künstlerin.
KUNSTHAUS NEXUS Saalfelden

Aus Verpackungsmaterialien, Spielzeugfiguren, Parfumflaschen, Sicherheitsnadeln und anderen Materialien aus Meyers "Messie-Halde" entstehen bühnenbildartige Settings, die in ihrer Trashästhetik die glitzernde Konsumwelt gleichzeitig spiegeln und konterkarieren. Gewissheiten sind im postfaktischen Zeitalter das wahre Luxusgut. Man findet es eher nicht in der digitalen Bilderflut, für die Anna Meyer mit einer Reihe frei im Raum schwebender, in Öl auf Plexiglas gemalter Kleinformate eine famose analoge Ensprechung anzubieten hat. (Ivona Jelcic, 26.2.2019)