August Wilhelm Iffland (1759-1814) war, soviel kommt in den meisten Würdigungen noch vor, einer der bedeutendsten Schauspielstars der Goethezeit. Erwähnt wird dabei, dass er 1782 der erste Moor in Schillers "Räuber" gewesen ist, und mit Goethe befreundet war, der die Einzigartigkeit seiner wegen ihrer Natürlichkeit außergewöhnlichen Darstellungskunst rühmte. Dabei gelang es Iffland, "den Schauspielerstand aus dem Bezirk des Geächteten, aus dem Milieu der Vaganten und Jokulatoren herauszuführen und in den Glanz der allgemeinen Adoration, als Stars einer verehrungswilligen Gesellschaft, emporzuheben", wie es der Autor Oliver vom Hove im Austria-Forum veröffentlichten Porträt des Schauspielers theatralisch umschreibt.

August Wilhelm Iffland (1759-1814).
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Ursprung des Iffland-Rings

Ein gewisses Selbstbewusstsein als Star, oder auch unverblümte Eitelkeit, kann man Iffland jedenfalls nicht absprechen, ließ er doch mehrere Ringe mit seinem Konterfei selbst herstellen und verschenkte diese zur "Stiftung eines Freundschaftsbundes" an Kollegen und Verehrer. Dass er damit aber die Schaffung eines Ehrenpreises verband, ist eher unwahrscheinlich, denn die erste Erwähnung des Ringes als Auszeichnung für einen Schauspieler stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die verworrene Geschichte des Ringes sei hier nur in ihrer letzten Phase angedeutet. Seit 1954 ist der Iffland-Ring "zweckgebundenes Eigentum der Republik Österreich", dessen Weitergabe statutarisch geregelt ist. Der letzte Preisträger legt testamentarisch den neuen Ringträger fest.

Iffland, selbst Autor heute vergessener Dramen, beflügelte auch als Intendant das deutschsprachige Theaterleben. So führte er das deutsche Nationaltheater am Berliner Gendarmenmarkt zu bisher unbekanntem Ruhm. Zweimal gastierte er auch in Wien, 1801 und 1808. "Noch nie erhielt in Wien ein Schauspieler einen so allgemeinen, anhaltenden Beifall, als Iffland", bejubelte die "Zeitung für die elegante Welt" seine Auftritte im Jahr 1801. Bei seinem zweiten Gastspiel wurde Iffland die Leitung des Hofburgtheaters angeboten, doch lehnte dieser trotz "äußerst verlockender finanzieller Bedingungen […] aus Treue zum preußischen Königshaus ab", wie Oliver vom Hove ausführt.

Der Ring mit Ifflands Konterfei.
Foto:APA/HANS TECHT

"Ein Mann von Steiß"

Das ist aber nur die halbe Wahrheit, zwar stand Iffland dem preußischen Königshaus, von dem er sich Protektion erwartete und bekam, nahe, seine mögliche Intendanz in Wien dürfte aber aus ganz anderen Gründen gescheitert sein, die in Darstellungen der Geschichte des Iffland-Rings gerne verschwiegen werden. Mehr als fünfzehn Jahre nach Ifflands Tod spottete Heinrich Heine in seinen 1830 erschienenen "Bädern von Lucca" über den "ghaselige Iffland", um die Homosexualität seines literarischen Kontrahenten August Graf von Platen zu untermauern. Hatte sich Platen über die jüdische Herkunft Heines abfällig geäußert, denunzierte Heine den dichtenden Grafen als Homosexuellen, der „mehr ein Mann von Steiß als ein Mann von Kopf“ sei.

Platen war als Lyriker bekannt, der exotische Gedichtformen, wie orientalische Ghasele, bevorzugte. Die Assoziationen, die deren Erwähnung in Verbindung mit Iffland auslösen sollten, waren also eindeutig, zumal er in Zusammenhang mit möglichen Aufführungen eines Ödipus-Dramas aus der Feder Platens genannt wird, das Heine als homosexuelle Variation des antiken Mythos präsentiert: "Statt daß er ihn den Vater Lajus töten und die Mutter Jokaste heiraten ließ, hätte er es im Gegenteil so einrichten sollen, daß Ödipus seine Mutter tötet und seinen Vater heiratet. Das dramatische Drastische in einem solchen Gedichte hätte einem Platen meisterhaft gelingen müssen, seine eigene Gefühlsrichtung wäre ihm dabei zustatten gekommen, […] er hätte ein Stück geliefert, das, wenn der ghaselige Iffland noch lebte, gewiß in Berlin gleich einstudiert worden wäre […]." (Heinrich Heine, Die Bäder von Lucca)

Die Erwähnung Ifflands in diesem Zusammenhang verstärkte Heines Anschuldigungen, denn das literarisch interessierte Publikum konnte sich sicher an eine andere Kontroverse erinnern, die zum Outing von Iffland als Homosexueller geführt hatte. 1810 lehnte Iffland die Aufführung von Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbronn" ab. In einem Antwortschreiben griff der beleidigte Kleist Iffland frontal an: "Es tut mir leid, die Wahrheit zu sagen, daß es ein Mädchen ist; wenn es ein Junge gewesen wäre, so würden es Ew. Wohlgeboren wahrscheinlich besser gefallen haben." Zu Ifflands Verdruss machte Kleist das Schreiben öffentlich, sodass die Anschuldigung Kleists, wenn auch meist unter vorgehaltener Hand, weite Kreise zog und Iffland nachhaltig diskreditierte.

"Der Sodomie ergeben"

Doch schon ein Jahr davor hatte der Verdacht, dass Iffland homosexuell ist, dazu geführt, die Verhandlungen über seine Intendanz an den Wiener Hofbühnen abzubrechen.  Kurz vor Abschluss der Verhandlungen traf in der Geheimen Hof- und Staats-Kanzlei am 26. März 1809 eine Note ein, in der es heißt: „Iffland sei ein Anhänger geheimer Gesellschaften und hege eine unmoralische Neigung gegen sein Geschlecht.“ Weitere Nachforschungen sollten eingeleitet werden. In einer „Allerhöchsten Resolution“ wurde schon fünf Tage später von einem Informanten, der den Schauspieler 1805 in Berlin persönlich kennen gelernt hatte, berichtet, dass „besser denkende Menschen über Ifflands scheuslichen Lebenswandel“ empört waren und dass man ihm versicherte, Iffland „sei der Sodomie ergeben.“ Der Informant wunderte sich zwar, dass „ein Mensch, welcher diesem Laster ergeben sei, solche moralische Stücke, als seine Theaterarbeiten sind, verfertigen könne“, er gab den Informationen über Ifflands Homosexualität aber weit mehr Platz, als dem Verdacht der Freimauerei, die er in einer kurzen Anmerkung bestätigt.

Ein weiterer Informant, der in Wien stationierte preußische Diplomat Peter von Piquot, bestätigte, dass "der Hang Ifflands zum männlichen Geschlechte bekannt" sei, zu freimaurerischen Sympathien äußerte er sich aber zurückhaltend. Der aktenführende Beamte verdichtete das Bild des unmoralischen und politisch Verdächtigen zur politischen Gefahr. Trotz seines Rufs, homosexuell zu sein, war Iffland ein gefeierter und verehrter Theaterstar, wie zahlreiche hymnische Kritiken belegen, der sich, so die Sorge der Geheimpolizei "Zutritt in angeseheneren Häusern […] verschaffen könne". Die Theaterbegeisterung des Wiener Publikums ließ befürchten, dass "der hiesige Adel […] geneigt" war, Iffland seine Salons zu öffnen. Auf Basis des Verdachts homosexuell zu sein und des Vorwurfs, mit den Freimauern zu sympathisieren, wurde Iffland zur politischen Bedrohung stilisiert. Sein Engagement als Direktor der Hoftheater war nach dieser Einschätzung nicht zu empfehlen.

Damit trifft die Einschätzung der Geheimpolizei die zeitgenössischen Diskurse über "Unzucht wider die Natur". Erst 1807 hatte der Schriftsteller und Politiker Friedrich Gentz in einem öffentlichen Brief den Schweizer Historiker Johannes von Müller, der wenige Jahre zuvor in Wien in einen homosexuellen Skandal verwickelt gewesen war, politisch angegriffen, weil Müller Napoleon, den Erzfeind Österreichs, besucht hatte. Müllers politische Unzuverlässigkeit stattete Gentz mit einem psychologischen Porträt des Angegriffenen aus, in dem er dessen Homosexualität ins Zentrum rückte: "Die ganze Zusammensetzung ihres Wesens ist ein sonderbarer Missgriff der Natur", ließ er Müller und damit die ganze Welt wissen. Dieselbe Argumentation griff bei Iffland, der ein weiteres Beispiel dafür ist, wie die sexuelle Orientierung zur Herabwürdigung der ganzen Persönlichkeit instrumentalisiert wurde.

Mit dieser Argumentation war eine neue Dimension der Stigmatisierung Homosexueller erreicht, die nun nicht mehr als verabscheuungswürdige Sünder, sondern als Gefahr für das Gemeinwesen gesehen wurden. (Andreas Brunner, 28.2.2019)

Literaturhinweise

  • Die Iffland betreffenden Akten der Geheimen Hof- und Staatskanzlei wurden beim Brand des Justizpalastes 1927 vernichtet, wurden aber 1915 von Gustav Gugitz publiziert in Johann Friedrich Reichardt: Vertraute Briefe … Eingeleitet und erläutert von Gustav Gugitz. München 1915, Band 1, S. 338-340.
  • Manfred Derks: Die heilige Schande der Päderastie. Homosexualität und Öffentlichkeit in der deutschen Literatur 1750-1850, Berlin 1990.

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