Nachdem der Freispruch im ersten Verfahren aufgehoben worden ist, begann am Dienstag der neue Prozess gegen Eduard Lopatka.

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Graz – Im Grazer Straflandesgericht hat am Dienstag die zweite Auflage des Prozesses gegen Eduard Lopatka begonnen. Der praktische Arzt soll jahrelang seine vier Kinder gequält haben, indem er ihnen mit Selbstmord drohte und sie mit abfälligen Äußerungen bedachte. Der Angeklagte fühlte sich in keiner Weise schuldig. Im ersten Verfahren war er freigesprochen worden.

Der Prozess begann etwas chaotisch, da zahlreiche Zuschauer keinen Platz in dem kleinen Verhandlungssaal fanden. Das Gericht hatte sich offenbar nicht vorstellen können, dass das Verfahren, das eine starke Medienpräsenz verzeichnet hatte, auf starkes Interesse bei Zuschauern stoßen könnte, und schleuste auch noch rund ein Dutzend Rechtspraktikanten in den Raum.

"Könnte drei Kriminalromane füllen"

"Wir stehen wieder ganz am Anfang eines Falles, der drei Kriminalromane füllen könnte", begann Staatsanwalt Christian Kroschl. Er beschrieb, dass der Angeklagte seine vier Kinder über Jahre hinweg "gedemütigt und sich ihnen gegenüber lieblos verhalten hat". Weiters drohte er demnach mit Selbstmord und soll ihnen Medikamente verabreicht haben, bis zwei Töchter süchtig wurden. Außerdem verletzte er sich laut Ankläger selbst und befahl den Kindern, ihm venöse Spritzen zu verabreichen. Alle vier waren in Psychotherapie: "Ein gänzlicher Heilungserfolg ist noch nicht eingetreten", erläuterte Kroschl.

Richter Oliver Graf beleuchtete ruhig und unaufgeregt zunächst das persönliche Umfeld des praktischen Arztes. Dieser schilderte, dass er von in der Früh bis spät am Abend gearbeitet habe, die Kinder versorgte und den ganzen Einkauf erledigte. Gleichzeitig gab er an, dass er zwei Haushälterinnen gehabt habe. Finanziell ging es der Familie offenbar sehr gut: "Wir konnten uns alles leisten", bestätigte Lopatka.

Lego und Süßigkeiten für die Kinder

Seine Kinder hätten alles von ihm bekommen, "so viel Lego, dass ein Zimmer gar nicht gereicht hat", und jede Menge Süßigkeiten. "Finden Sie das erziehungstechnisch gut?", fragte der Richter. "Ich kann nicht Nein sagen, ich tue mir schwer damit, etwas auszuschlagen, das ist der Grund, warum ich diese Scheiße jetzt habe", lautete die Antwort.

Dann kam das Gespräch auf das Liebesleben, nachdem ihn seine Frau beschuldigt hatte, sie mehrmals betrogen zu haben. "Ich war immer treu", betonte Lopatka. Allerdings habe er oft SMS von anderen Frauen bekommen, auch gab es Treffen, aber nichts Sexuelles, wie er beteuerte. "Wann haben Sie nach der Scheidung eine Beziehung gehabt?", wollte der Richter wissen. "Sehr rasch, ich bekam viele Angebote", antwortete der Arzt.

"Große Angst vor Scheidung"

Der Angeklagte hat bei seiner Befragung zugegeben, Selbstmorddrohungen geäußert zu haben, "aber nur innerhalb der Familie", wie er betonte. Er habe große Angst vor einer Scheidung gehabt, außerdem sei er überarbeitet gewesen. Seine Frau, die ebenfalls Ärztin ist, habe ihm außerdem "eine Traumatisierung eingeredet".

Der Staatsanwalt warf dem praktischen Arzt vor, durch seine ständigen Selbstmorddrohungen die Kinder psychisch gequält zu haben. Er soll mit der Waffe vor den Kindern gestanden sein, was er aber bestritt. Ein anderes Mal hängte er sich demnach tatsächlich auf, allerdings mit einem von ihm präparierten Strick, der abriss. Die Drohungen leugnete er auch gar nicht. "Das gestehen Sie also?", sah der Richter eine Wendung gekommen. "Nein, kein Geständnis", beeilte sich die Verteidigerin einzuwerfen.

Lopatka betonte, er sei ein Jahr lang suizidgefährdet gewesen. "Was hat gefehlt zum tatsächlichen Umbringen?", fragte der Richter. "Der Ablauf war zu lang", meinte der Angeklagte. Er habe sich auch ständig vorgesagt: "Eduard, du darfst dich nicht umbringen." Dann meinte er vorwurfsvoll: "Ich werde jetzt für etwas angeklagt, worunter ich jahrelang gelitten habe." Das relativierte der Richter: "Deswegen sind Sie nicht angeklagt, sondern weil Sie ihre Kinder gequält haben."

Kinder mussten Spritzen setzen

Ein weiteres Thema waren die Spritzen, die ihm seine Tochter und sein damals zehnjähriger Sohn setzen mussten. "Bei meiner Tochter habe ich mir nichts dabei gedacht, sie war schon 20 und wollte Medizin studieren, ich habe gesagt, sie kann bei mir üben." Das wollte das Mädchen offenbar nicht, und der Vater zeigte sich "enttäuscht". Der Bub sollte ihm ebenfalls eine Spritze geben. "Er war von klein auf immer bei den Visiten dabei", rechtfertigte sich der Beschuldigte. Gezwungen will er die Kinder nicht haben, aber "mit Nachdruck aufgefordert".

Als das Kind zögerte, soll er zornig geworden sein und gesagt haben, der Zehnjährige dürfe nichts der Mutter verraten, die sich sonst scheiden lassen würde. "Warum macht man so etwas?", fragte der Richter. "Ich glaube nicht, dass ihm das so geschadet hat, wie Sie das als Richter sehen." Darum gehe es nicht, so der Vorsitzende, sondern "ein Zehnjähriger hat auch ein Recht auf eine Kindheit, in der er nicht dem Vater etwas spritzen muss".

Zahlreiche Selbstverletzungen

Am Nachmittag sind auch die zahlreichen Selbstverletzungen von Eduard Lopatka beim Prozess zur Sprache gekommen. Er leugnete diese Vorfälle nicht, die Taten seien für ihn "wie ein Ventil" gewesen. Seine Kinder hätten zwar die Verletzungen gesehen, wären aber bei der Entstehung nie dabei gewesen, beteuerte der Arzt.

Er schnitt sich mit dem Skalpell, stach Nadeln in alle möglichen und unmöglichen Stellen seines Körpers. Einmal rammte er sich einen Schraubenzieher in den Bauch – und machte anschließend ein Foto davon. "Ich habe mir gedacht, das glaubt mir keiner." Dann kam nach seinen Angaben seine Tochter ins Zimmer und lachte: "Geh, Papa", soll ihre ganze Reaktion gewesen sein, bevor sie den Schraubenzieher herauszog.

"Sind Sie nicht erschrocken, als Sie gesehen haben, was Sie alles mit Ihrem Körper machen?" , fragte Richter Oliver Graf. "Nein, es war für mich wie ein Ventil", antwortete Lopatka. Diese Aktionen seien aber nie in Zusammenhang mit den Selbstmordabsichten gestanden, betonte der Angeklagte.

"Materiell" gesehen "sicher ein guter Vater"

"Sind Sie ein guter Vater gewesen?", wollte der Richter wissen. "Materiell sicher, von der Zeit her wäre mehr gegangen", antwortet der Arzt.

Die Nennung des Namens des Arztes ist nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Dezember 2018 im Zuge der Prozessberichterstattung im öffentlichen Interesse zulässig, da er auch seine Kinder behandelt und dabei gegen ärztliche Pflichten verstoßen haben soll. Bis zu dieser Entscheidung nahm DER STANDARD aus medienrechtlichen Gründen davon Abstand. (APA, 26.2.2019)