Bild nicht mehr verfügbar.

Simon Coveney warnt vor "massivem Schock".

Foto: AP / Michael Sohn

Kein Nachbarland Großbritanniens, immerhin siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt, wird vom Brexit stärker betroffen sein als die Republik Irland. Die Wirtschaft im äußersten Nordwesten der Europäischen Union würde im Fall eines No-Deal-Brexits "einen massiven Schock" erleiden, warnt Außenminister und Vizepremier Simon Coveney.

Eine der am schlimmsten betroffenen Branchen wäre die irische Landwirtschaft: 37 Prozent ihrer Exporte im Wert von 4,5 Milliarden Euro gehen von der Grünen Insel auf die größere Nachbarinsel. Der zuständige britische Minister Michael Gove hat vergangene Woche seinen Landwirten Schutz durch Zölle und Abgaben auf Importe zugesagt. Irisches Lammfleisch könnte über Nacht um 53 Prozent teurer werden, auch die Preise für Milch und Käse würden in die Höhe schnellen.

EU-Nothilfen

Schon ist von EU-Nothilfen für die bestens organisierte und tief in der Gesellschaft verwurzelte Branche die Rede. Er sei bereits in Brüssel vorstellig geworden, beteuert Landwirtschaftsminister Michael Creed – wie praktisch, dass er beim zuständigen EU-Kommissar Phil Hogan auf einen Landsmann trifft.

Ein dieser Tage im irischen Parlament behandeltes Gesetzespaket soll andere praktische Probleme lösen. Sichergestellt wird beispielsweise, dass kranke Kinder aus dem britischen Nordirland weiterhin in Dublin behandelt werden können. Umgekehrt dürfen Patienten aus der Grafschaft Donegal das Spital im nordirischen Derry aufsuchen. Geregelt werden auch die Zahlungen für britische Pensionisten in Irland und irische in Großbritannien, ebenso die künftige Zusammenarbeit von Universitäten in Belfast und Cork.

In den Häfen von Dublin und Rosslare werden unterdessen provisorische Baracken gezimmert, in denen Zoll- und Grenzkontrollen durchgeführt werden sollen. Die Zollbehörde hat 400 zusätzliche Angestellte rekrutiert und ausgebildet. Hingegen fehlen noch die nötigen Tierärzte und anderes Fachpersonal zur Kontrolle von Tier- und Fleischexporten.

Hoffen auf Einigung

Am liebsten wäre ihm ja, führte Vizepremier Coveney aus, seine Arbeit wäre umsonst gewesen, schließlich gebe es noch immer Aussicht auf eine Einigung. Hingegen würden bei einem unordentlichen Brexit alle Beteiligten nur verlieren.

Das Dubliner Finanzministerium und die Zentralbank haben düstere Prognosen veröffentlicht. Ein vertragsloser Brexit würde die zuletzt robust um 7,5 Prozent wachsende Wirtschaft massiv verlangsamen und Irland mittelfristig sechs Prozent Wachstum kosten. Der Börsenmakler Goodbody Stockbrokers hält sogar eine Rezession für möglich.

Auf Drängen der Iren hatte EU-Unterhändler Michel Barnier die Briten zu einer Auffanglösung für Nordirland gezwungen: Sollte im zukünftigen Freihandelsvertrag keine andere Einigung zustande kommen, verbleibt ganz Großbritannien in der Zollunion, Nordirland auch in weiten Teilen des Binnenmarktes der EU. Damit trugen alle Beteiligten dem Karfreitagsabkommen von 1998 Rechnung, das dem langen Bürgerkrieg ein Ende gemacht hatte.

Bleibt London hart, würde Großbritannien über Nacht zum EU-Drittland. Dann müssten neue Grenzkontrollen her, die ein Aufflammen des als befriedet geltenden Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten zur Folge haben könnten. Dieser bitteren Erkenntnis weicht Dublin bisher beharrlich aus. (Sebastian Borger, 27.2.2019)