Regen Medien- und Zuschauerandrang gab es am Dienstag am Grazer Straflandesgericht. Der Angeklagte Eduard Lopatka war der Einzige, der an diesem Tag einvernommen wurde.

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Man könnte mit diesem Fall "auch drei Kriminalromane füllen", meint Staatsanwalt Christian Kroschl am Dienstagmorgen am Beginn des ersten Verhandlungstags im völlig überfüllten Verhandlungssaal im Grazer Straflandesgericht, wo man im Fall des steirischen Arztes Eduard Lopatka "wieder ganz am Anfang" stehe. Doch Kroschl betont, "uns interessieren hier heute nur" jene Dinge, welche die vier Kinder ihrem Vater vorwerfen und keine Nebenschauplätze.

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Lopatka wird von seinen drei Töchtern und seinem Sohn vorgeworfen, sie jahrelang gequält zu haben, sie "gedemütigt und sich ihnen gegenüber lieblos verhalten" zu haben, wie Kroschl es zusammenfasst. Der Staatsanwalt betont, dass er selbst sich den Prozess "angesichts der Anfeindungen nicht noch einmal angetan hätte", wenn er nicht von der Schuld des Vaters überzeugt wäre. Tatsächlich hatten die Kinder nach dem umstrittenen Freispruch 2017 nicht nur den damaligen Richter Andreas Rom, sondern auch Kroschl wegen Amtsmissbrauchs angezeigt.

Bruder "vollkommen egal"

Kroschls Berufung gegen den Freispruch folgte das Oberlandesgericht uneingeschränkt. Noch etwas will der Ankläger klarstellen: "Es ist vollkommen egal, ob der Bruder des Angeklagten irgendein bekannter Politiker ist oder die Schwester eine Reinigungskraft. Wer glaubt, das Verfahren von außen beeinflussen zu können, der irrt sich gewaltig."

Dann zählt er noch einmal die Vorwürfe auf: dass "Minderjährige, die ihren Vater lieben und zu ihm aufschauen können sollten, mitansehen mussten, wie er sich Initialen einritzt, wie er sich selbst einen Schraubenzieher in den Bauch stößt, eine Pistole an die Schläfe hält, sich einen Strick um den Hals legt und immer wieder mit Suizid droht". Auch die Verabreichung von Drogen und abhängig machenden Medikamenten bei den Kindern und sich selbst wird wieder Thema.

Kroschl zitiert auch den Gutachter, der allen Kindern psychische Erkrankungen attestierte, die bisher nicht geheilt werden konnten. Eine Tochter versuchte, sich 2004 als Minderjährige und nochmals 2008 das Leben zu nehmen.

Dann übernimmt der neue Richter Oliver Graf. Er erinnert Lopatka, dass ein Geständnis sich mildernd auf das Urteil auswirken könnte. Der Angeklagte bekennt sich aber nicht schuldig, außer im Anklagepunkt des unerlaubten Waffenbesitzes. In den nächsten Stunden hält der Richter dem Angeklagten viele belastende Aussagen vor. Allerdings nicht jene von Zeugen, sondern jene, die der Arzt bei Einvernahmen durch die Polizei oder bei von seiner Frau aufgenommenen Gesprächen selbst getätigt hatte.

"Die ganze Familie ausrotten"

Darin werden die wiederholten Suiziddrohungen thematisiert, der Vorwurf, dass eine Tochter solche Angst hatte, nachts einzuschlafen, weil sie fürchtete, der Vater würde "die ganze Familie ausrotten", der Vorwurf, dass der Arzt eine Tochter und den damals zehnjährigen Sohn zwang, ihm Spritzen zu geben.

Dinge, die der Arzt in den Tonbandaufnahmen nicht abstreitet. Er wollte keinen Streit haben, begründet er das am Dienstag im Gerichtssaal. In den Protokollen stellt es Lopatka auch mehrmals so dar, dass zumindest zwei Kinder seine Suizidversuche mitansehen mussten. Das bestreitet er am Dienstag aber vehement. Der Vorsitzende hält dem Angeklagten vor: Selbst wenn die Kinder nur gehört hätten, dass er sich umbringen wolle, wäre das "für eine Kinderseele" sehr belastend. "Können Sie sich vorstellen, dass so etwas für Kinder belastend ist?", fragt der Richter den Arzt. "Ja", sagt dieser. "Kann ich das jetzt als Geständnis nehmen?", bohrt der Richter weiter. "Nein", fällt ihm die Verteidigerin Lopatkas energisch ins Wort, "kein Geständnis!"

Der Arzt relativiert die geschilderten Vorwürfe, bei denen er seinen Kindern auch körperliche Gewalt antat – etwa das Packen des Sohnes am Hals, das "Wegstoßen" einer Tochter oder an den Haaren ziehen. "Vier, fünf Mal" sei Letzteres vorgekommen. Oft erinnert er sich aber auch einfach nicht.

Angst vor der Scheidung

Er betont, dass er die Kinder verwöhnt habe, der Sohn hatte "so viel 'Star Wars'-Lego, dass das gar nicht in ein Zimmer gepasst hat". "Ich habe nicht Nein sagen können." Oder: "Ich bin zu weich." – So stellt sich der Vater dar. Dass er die Kinder mit seinen Suiziddrohungen belastet habe, dass er sie nicht aus Streitereien mit deren Mutter, seiner heutigen Exfrau, herausgehalten habe oder wütend wurde, wenn sie nicht alles – auch Verdorbenes – aufaßen, bringt der Richter immer wieder aufs Tapet. Es sei ihm eben sehr schlecht gegangen, so Lopatka. "Ich hatte große Angst vor der Scheidung, das war ganz vernichtend."

Der Richter kontert: "Das haben Sie aber den Kindern weitergegeben." Dazu der Vater: "Was die empfunden haben, weiß ich nicht." Die Verhandlung wurde auf 26. März vertagt. (Colette M. Schmidt, 26.2.2019)