Farbenfrohe Streetwear: Shirts des Wiener Labels Reamo, präsentiert vor den DC Towers in der Donau City.

Foto: Cameron Ugbodu (Instagram: @cameron_ugbodu)

Wiener Streetwar pur: Hoodie (Tygerfly und Deux Amis, 169 Euro)

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Overall (Kids of the Diaspora, 120 Euro).

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Dad-Cap (Deux Amis, 59 Euro)

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Auf den verblassten Polaroids an der schwarzen Wandtafel sind Jacken, Hoodies und Hosen zu sehen. Die Stücke, die in der chaotischen Büroküche liegen, sollen in den nächsten Wochen online gehen. Jeden Freitag um 18 Uhr eines. Das wollen Omaer Alam und Ahmed Nasr das ganze Jahr durchziehen. Man muss überraschen, wenn man neu ist. Die Bilder zeigen nicht nur Kleidungsstücke, sie zeigen die Ambitionen der beiden.

Alam und Nasr sind mit ihrem Label Reamo das Paradebeispiel für eine junge Streetwear-Generation aus Wien. Sie sind keine Modeklasse-Absolventen, sie haben sich alles selber beigebracht. Sie entwerfen keine Konzeptmode, sondern Unisex-Streetwear. Ihre Vorbilder: Supreme, Off-White, Palace.

Omaer Alam, Namensgeber und Designer von Reamo (Omaers Name rückwärts geschrieben), hat sich schon immer für Mode interessiert, aber nie gelernt, wie man sie macht. "Ich habe früher Jeansjacken bemalt. Dann sollte ich das auch für die anderen machen. Danach wollte ich mehr", sagt er, in dem kleinen Büro im 22. Bezirk sitzend.

Er trägt seine eigene Mode. Bis auf die Socken, die sind von Gucci. Er und Nasr kennen sich von der HTL, sie sind beide ausgebildete Programmierer. Nasr kümmert sich um das Marketing, er trägt ein Business-Hemd, nichts von der eigenen Marke. Seit August 2018 arbeiten sie unter dem Namen Reamo, die Vorbereitungen liefen schon ein Jahr zuvor an.

Alltägliche Einflüsse

Übergroße T-Shirts, Pufferjacken, gestreifte Hosen, die Stücke sind Streetwear pur. Inspirieren lässt sich Alam dabei meist von seiner Umwelt oder durch Zufälle. Nasr spielte eines Tages auf dem Graphic-Tablet herum und malte aus Versehen den ikonischen Strich (siehe Bild) unter den Kragen eines T-Shirts. Das war bei vielen Stücken so. Omaer musste sich selber beibringen, wie man Schnitte produziert. Youtube hat geholfen.

Dass es in der Wiener Streetwear-Szene nicht nur Reamo gibt, wissen sie selbst. Als kürzlich auf der Sneakermesse "Hypeconvention" im Museumsquartier verschiedene Streetwear-Labels aus Wien zusammenkamen, fühlte sich das wie ein Klassentreffen an. Die beiden finden das großartig. "Früher war eher ein Konkurrenzgedanke da", verrät Nasr. "Aber mittlerweile versuchen wir eher uns gegenseitig zu pushen." In den letzten Jahren sind in Wien so einige Streetwear-Labels entstanden.

Daniel Pahr, der zusammen mit Hardi und Hunnar Mohammad seit 2018 das Label Deux Amis betreibt, zeigte auf der vergangenen Vienna Fashion Week seine Kollektion. Er fragte um Funktionskleidung vom Baukonzern Porr und der Bäckerei Felber an, beklebte diese mit reflektierenden Streifen und verwandelte die Stücke so in seine ganz eigene Kollektion. Das war von Anfang an der Plan: Kollaborationen mit Firmen starten, die eigentlich nichts mit Mode am Hut haben.

Die Schwestern Cherrelle und Leni Charles stecken hinter Kids of the Diaspora. Das Label, das als Awareness-Plattform gegen Diskriminierung angefangen hat, hat mittlerweile eine Kapselkollektion vorzuweisen. Besonders der weiße Overall sticht hervor. Und immer wichtig: die Message. "Deconstruct the Concept of Minorities" steht auf dem Rücken. Zusammen mit "Green Shirts" achten sie auf eine nachhaltige Produktion. Als Label mit politischer Message will man Verantwortung zeigen.

Das Label Tygerfly gibt es schon seit zweieinhalb Jahren. Max Fößleitner und sein Team produzieren ausschließlich in Europa und haben schon rund 10.000 Follower auf Instagram sammeln können. Auch er hat keinerlei Vorerfahrung, was Mode angeht. Die erste Kollaboration zusammen mit den Kollegen von Deux Amis gab es schon – mit Inspiration vom russischen Streetwear-Designer Gosha Rubchinskiy. Leben kann das Label davon aber nicht. "Wir sind ja noch jung und machen es nicht wegen des Geldes", sagt Fößleitner.

Online first

Wie fast jedes der Labels ist Reamo derzeit nur online präsent. Wenn man fragt, ob sich das ändern soll, bekommt man von den Gründern unterschiedliche Antworten. Alam will seine Werke auch ausgehängt im Schaufenster sehen. Nasr fragt sich, warum man Extrakosten für einen Store hinblättern sollte, wenn man im Netz doch flexibler ist. Dazu kommt Instagram, das für die jungen Labels als Werbeplattform dient. Kunden machen Fotos mit den Stücken, verlinken die Labels und schaffen damit Aufmerksamkeit. Die Preise sind günstiger als bei den anderen. Das liegt auch daran, dass Reamo in Bangladesch produzieren lässt. Für die vollreflektierende Pufferjacke muss der Kunde 249 Euro zahlen, der Hoodie kostet 58 Euro. Zum Vergleich: Der Kapuzenpulli aus der Kollaboration von Tygerfly und Deux Amis ist für 169 Euro zu haben.

Das Schwierigste sei, so Omaer Alam, sich heuer jede Woche neue Designs einfallen zu lassen. Was nächstes Jahr kommt? "Keine Ahnung, so weit planen wir nicht vor. In dieser Branche geht alles so schnell, da lohnt es sich nicht, noch weiterzudenken", sagt Ahmed. Erst einmal muss die Wand mit 52 Polaroids befüllt werden. (Thorben Pollerhof, RONDO, 1.3.2019)