Nach Enteisung auch für 5G-Broadcast einsetzbar: ORS-Sendeanlage auf dem Grazer Schöckl. Die ORF-Sendertochter will auf den bisherigen TV-Frequenzen in Zukunft auch 5G-Broadcast senden, ein eigenes Rundfunkformat der 5G-Technologie.

Foto: ORS

Die nächste Mobilfunkgeneration 5G kann Videos und Ton nicht nur streamen, sondern wie der gewohnte Rundfunk über Antenne an viele Empfänger (und datensparend) senden. Das nützt auch Menschen mit wenig Interesse am linearen Fernsehen – spätestens wenn etwa bei sportlichen Großereignissen von Skirennen bis Fußball-WM die mobilen Datennetze an ihre Grenzen gehen. Die ORF-Sendertochter ORS will auf bisherigen TV-Frequenzen künftig 5G-Broadcast unabhängig von der verwendeten SIM-Karte ausstrahlen.

Die Republik versteigert gerade die ersten 5G-Frequenzen (im Gigahertzbereich). Die große Auktion für drei Frequenzbänder (700/1500/2100) soll noch 2019 anlaufen, 2020 sollen die Frequenzen vergeben werden. Mittwoch endete die Konsultation der Rundfunk- und Telekomregulierung (RTR) GmbH für diese große Ausschreibung.

Unabhängig von SIM-Karte

Die ORS und Privatsender fordern da ungewohnt einträchtig ein 5G-Broadcast-Netz auf den Frequenzen zwischen 470 und 700 Megahertz, die auch künftig dem Rundfunk vorbehalten sein sollen. Und sie verlangen Auflagen für die künftigen 5G-Mobilfunkbetreiber in der großen Ausschreibung. Sie sollen – von der SIM-Karte unabhängige – Empfangseinrichtungen für 5G-Broadcast in jenen 5G-Handys nicht sperren dürfen, die sie mit ihren Mobilfunkverträgen anbieten.

Der Privatsenderverband VÖP fordert in seiner Stellungnahme zur 5G-Konsultation zudem "regulatorische Maßnahmen, die eine faire und funktionierende Zusammenarbeit zwischen Mobilfunknetzen, Rundfunk- und Inhalteanbietern und dem Anbieter oder den Anbietern von 5G-Broadcast-Netzen sicherstellen".

Sehr ähnlich wünscht sich die ORF-Sendertochter ORS die "Verpflichtung" künftiger 5G-Mobilfunker, mit 5G-Rundfunknetzbetreibern "auf Basis fairer, angemessener und nichtdiskriminierender Bedingungen vertraglich zu kooperieren und eine Koppelung dieser Netze und Dienste – sowohl in Bezug auf lineare als auch nichtlineare Angebote – zuzulassen".

Die ORS will selbst eine (möglichst die einzige) 5G-Broadcast-Plattform betreiben und für den nahtlosen Übergang von linearem Fernsehen und Video auf Abruf mit Mobilfunkern zusammenarbeiten. Sie hat schon die bisherigen Rundfunksenderstandorte für diese Technologie, die im Gegensatz zum kleinzelligen Mobilfunk hohe Masten mit großer Reichweite braucht.

ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer erinnert auf STANDARD-Anfrage an eines der deklarierten Ziele der großen 5G-Ausschreibung: eine "effiziente Frequenznutzung" sicherzustellen. "Wenn Mobilfunk und ein echtes Broadcast-Netz zusammenwirken, entsteht größtmögliche Frequenzökonomie", sagt Wagenhofer. Die vorhandenen Bandbreiten würden am besten genützt mit Broadcast-Technologie, wenn eine größere Zahl von Kunden Inhalte parallel (wie beim klassischen Fernsehen oder Radio) nutzt, und mit internetbasiertem Mobilfunk für den einzelnen Abruf von Inhalten oder auch für Interaktion mit Inhalten etwa über einen TV-Rückkanal.

Kleiner betriebswirtschaftlich-strategischer Haken: Mobilfunkbetreiber verdienen an der Datennutzung, nicht aber an ohne Zusatzkosten und unabhängig von der SIM-Karte zugänglichem Rundfunk. Zu diesem "SIM free" -Zugang wollen die ORS und der Privatsenderverband Mobilfunkbetreiber verpflichtet wissen.

Mit 5G-Broadcast soll "die Verfügbarkeit vielfältiger Broadcast-Inhalte (Audio/Radio, TV/Video, Inhalte für autonomes Fahren, großflächige Benachrichtigung im Katastrophenfall usw.) auf sämtlichen gängigen SIM-Karten unabhängig möglich sein", schreibt der VÖP in seiner Stellungnahme.

5G Broadcast dürfte bis zur Umsetzung noch ein paar Jahre dauern, die ORS will mit dem Aufbau 2023 beginnen. Schon im September 2019 zu den österreichischen Medientagen plant sie einen Testbetrieb mit einem Mobilfunker vom Wiener Kahlenberg.

"Kostenfreies" Österreich-Programm

Die Privatsender haben auch eine kurzfristige Forderung: Sie verlangen eine Art "Must Carry"-Pflicht für Mobilfunker, österreichische Kanäle/Inhalte in ihren Bewegtbildangeboten und -paketen "zu gleichwertigen Bedingungen" wie etwa auch für ihre eigenen Inhalte anzubieten (und zu bewerben), etwa auch bei vorinstallierten Apps und Bündelangeboten. Die österreichischen Rundfunkanbieter sollen auch Zugriff auf "relevante Daten" zu Nutzung und, soweit datenschutzrechtlich möglich, Nutzern bekommen. "Must Carry" -Verpflichtungen gibt es etwa auch für TV-Kabelnetze.

Der VÖP verlangt eine Auflage für die 5G-Ausschreibung, die Betreiber verpflichtet, "ihren Endkunden den mobilen Zugang zu den online abrufbaren Programmangeboten österreichischer Radio- und TV-Veranstalter einfach und kostenfrei zu ermöglichen".

Das Regierungsprogramm verspreche ja eine Förderung österreichischer Medienangebote – wörtlich etwa: "aktive Standortpolitik für österreichische Inhalte".

Mit dem EU-Gebot der Netzneutralität sei das vereinbar, erklärt der Privatsenderverband in seiner Stellungnahme zu 5G. (Harald Fidler, 27.2.2019)