Der zurückgetretene iranische Außenminister hat also am Mittwoch regulär seinen Dienst angetreten und gemeinsam mit seinem Chef, Präsident Hassan Rohani, einen Staatsgast empfangen. Man kann davon ausgehen, dass das auch im Sinn des Chefs des Chefs, des religiösen Führers Ali Khamenei, war: Hätte dieser gewollt, dass Mohammed Javad Zarif den Dienst quittiert, dann wäre das geschehen, so einfach ist das. Und Rohani hätte umgekehrt, auch wenn er es gewollt hätte, Zarif nicht gegen Khameneis Willen entlassen können.

Mehrere Umstände der ganzen Geschichte sind bemerkenswert: In einem Land, in dem die Menschen ständig um Freiheit auch im virtuellen Raum bangen, spielte sich der Rücktritt des bekanntesten Ministers der Regierung Rohani in den sozialen Medien ab. Zarif übergab das Thema der öffentlichen Domäne, als er selbst Instagram benutzte, um den Iranern und Iranerinnen direkt seinen Entschluss, die Flinte ins Korn zu werfen, mitzuteilen. Damit eröffnete er die Kampfarena für Freunde und Feinde – und Erstere obsiegten.

Mobilisierung

Von der Kreation von Hashtags, um Zarif zum Verbleib zu überreden, über die unterstützende Wortmeldung von Rohanis Kabinettschef Mahmud Vaezi – eigentlich ein Konkurrent – bis zum Parlamentarier, der sich zum Vergleich mit dem Sturz des gewählten Premiers Mohammed Mossadegh durch die Geheimdienste Großbritanniens und der USA im Jahr 1953 verstieg: Zarif konnte demonstrieren, dass er noch immer einen Nerv in der Bevölkerung trifft, obwohl sein Werk, der Atomdeal, nach dem Ausstieg der USA langsam vor die Hunde geht. Dazu kamen Gerüchte, dass eine ganze Reihe von iranischen Diplomaten ebenfalls den Hut nehmen könnte.

In den sozialen Medien konstruierten Zarifs iranische Feinde das große Gegensatzpaar: Zarif, der ambivalente Zivilist, der mit den Vertretern des Großen Satans, der USA, parliert – und General Ghassem Soleimani, der im Dienste der regionalen "Achse des Widerstands" seinen eigenen Kopf hinhält. Das führte prompt dazu, dass sich auch noch Soleimani dem Zarif-Lob anschließen musste und so etwas wie den Primat des iranischen Außenministeriums in der iranischen Außenpolitik behauptete.

Die eigene Schwäche, die Zarif als Grund für seinen Abtritt anführte, hat sich demnach zur großen Stärke gewandelt, könnte man meinen. Aber das stimmt nur in gewisser Weise.

Die iranische Führung von Ali Khamenei muss in einer Situation, in der sie der eigenen Bevölkerung wieder einmal besondere Härte zumutet, zeigen, dass sie nicht einfach über die Mehrheit, die Rohani 2017 wiedergewählt hat, drüberfährt. Der Echoraum soziale Medien hat geräuschvoll daran erinnert, dass Rohanis und Zarifs Politik noch immer ihre Anhänger hat: dass sie als Garanten gegen eine Eskalation, die die Iraner nicht wollen, gelten. Aber an der Substanz der iranischen Politik wird das nichts ändern. Im Gegenteil, jetzt müssen wieder die Hardliner rückversichert werden. (Gudrun Harrer, 27.2.2019)