Der Dopingschatten fällt auf die nordische WM in Seefeld.

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Die Polizei musste in Seefeld eingreifen.

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Baldauf und Hauke zeigten am Sonntag noch im Teamsprint auf.

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Seefeld – Polizeiautos und Journalistenrudel vor einer Unterkunft österreichischer Skisportler, bleiche Funktionäre und um Worte ringende Athleten – es war nicht nur ein Déjà-vu in Seefeld. Österreichs Sport hat seinen nächsten Dopingskandal, wenn der auch nur ein Ableger eines weit größeren zu sein scheint, gleichsam eine Untiefe in einem grundlosen Sumpf.

Zwei ÖSV-Läufer bei WM festgenommen.
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Mittwochfrüh wurde ruchbar, dass im Zuge einer Aktion des österreichischen Bundeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft München I zur Zerschlagung eines international wirkenden Dopingnetzwerks bei Razzien im WM-Ort Seefeld sieben Personen festgenommen worden waren. Am Nachmittag wurden ein in Erfurt ansässiger Sportmediziner sowie dessen Vater abgeführt.

In Seefeld machte sehr schnell die Runde, dass sich unter den Festgenommenen auch die beiden österreichischen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf befanden, die erst am vergangenen Sonntag etwas überraschend Rang sechs im Teamsprint belegt hatten. Weiters wurden zwei estnische und ein kasachischer Sportler sowie zwei in Tirol weilende mutmaßliche Komplizen des Erfurter Mediziners dingfest gemacht. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Auf frischer Tat

Die Ermittler gingen aber im Rahmen einer Pressekonferenz in Innsbruck ins haarsträubende Detail. Einer der festgenommenen Sportler sei in seiner Unterkunft in seinem Seefelder Teamhotel "mit einer Bluttransfusion im Arm aufgegriffen" worden, sagte Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt. Die Causa, die zur von den Behörden gewitzt "Operation Aderlass" genannten Aktion führte, dürfte noch weite Kreise ziehen. "Es sind sicher auch noch andere Sportarten betroffen", sagte Csefan.

Die Pressekonferenz in Innsbruck.
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Der Erfurter Mediziner, als Mannschaftsarzt einst übrigens für das Wohl des gedopten österreichischen Radprofis Bernhard Kohl zuständig, gilt als Haupttäter, die Indizienkette sei geschlossen. Die Ermittlungen liefen monatelang, ein Anstoß war laut der Münchner Staatsanwaltschaft für Dopingermittlungen die ARD-Doku zum niederösterreichischen Langläufer Johannes Dürr, der 2014 des Epo-Dopings überführt worden war und zuletzt von Hintermännern auch in Deutschland berichtet hatte.

Fremdes oder eigenes Blut

Der aktuelle Vorwurf lautet jedenfalls auf Verdacht des gewerbsmäßigen Sportbetrugs sowie der Anwendung unerlaubter Wirkstoffe und Methoden zu Dopingzwecken, konkret von Blutdoping. Dabei wird dem Athleten eigenes oder Fremdblut zugeführt, das jedenfalls davor aufbereitet wurde. Notwendige Gerätschaften und Blutbeutel wurden in Erfurt sichergestellt.

In Österreich ist der Besitz, der Handel und die Weitergabe von Dopingsubstanzen mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht. Zusätzlich können Athleten auch abseits des Sportrechts für Sportbetrug zur Verantwortung gezogen werden. Der Strafrahmen beträgt bis zu zehn Jahre. Dem 26-jährigen Steirer Hauke und seinem gleichaltrigen Vorarlberger Kollegen Baldauf droht noch mehr Ungemach – sie absolvieren derzeit die polizeiliche Grundausbildung. Von einer flotten Beendigung der Dienstverhältnisse und Förderungsverlusten ist auszugehen.

Gandler nur noch bis Saisonende ÖSV-Langlaufchef

Seitens des österreichischen Skiverbands äußerte sich zuerst Markus Gandler (52), der für Langlauf und Biathlon Zuständige. Der Tiroler, der schon den Dopingskandal von Turin (2006) und die Fälle Dürr (2014) und Harald Wurm (2016) in seiner Position miterlebt hat, beklagte die Dummheit der Athleten. Er habe sich über Platz sechs von Baldauf/Hauke gefreut. "Aber wenn man das nicht derlaufen kann ohne Hilfsmittel, muss man eh aufhören."

Apropos: Der Staffelweltmeister von 1999 wird nach der WM nicht mehr Sportdirektor sein. Präsident Peter Schröcksnadel sieht sich zur Trennung gezwungen: "Das ist keine Schuldzuweisung, er ist sicher nicht Täter." Zudem kündigte Schröcksnadel auch an, den Langlauf als Spitzensport nicht weiter unterstützen zu wollen. Am Freitag verzichtet der ÖSV auf eine Teilnahme in der Herrenstaffel. "Ich bin zutiefst verärgert, dass einzelne Athleten scheinbar nichts aus der Vergangenheit gelernt haben", sagte der 77-Jährige. Die Verantwortung trage jeder einzelne Athlet selbst. (Sigi Lützow aus Seefeld, 27.2.2019)