Was unter der Großhirnrinde liegt, ist für Messungen der Hirnaktivität kaum erreichbar. Diese subkortikalen Bereiche spielen aber beispielsweise bei diversen Erkrankungen eine Rolle. Ein Forschungsteam der Uni Genf zeigte nun, wie man ihre Aktivität auch von außen messen kann.

Gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland haben die Wissenschafter um Christoph Michel von der Universität Genf nachgewiesen, dass sich die Aktivität tieferer Hirnregionen mithilfe von Elektroenzephalografie (EEG) und mathematischen Algorithmen bestimmen lässt. Anstelle von implantierten Elektroden, die sonst für solche Messungen nötig wären, reichen demnach Messungen außen am Schädel und spezielle Algorithmen, um mehr über die Funktion dieser Hirnregionen zu lernen, berichteten die Forscher im Fachblatt "Nature Communications".

Ein besonderer Fokus lag dabei auf Schlüsselregionen in den Tiefen des Gehirns, dem Thalamus und dem Nucleus accumbens. Diese kommunizieren miteinander und mit der Großhirnrinde, um Bewegung, Emotionen und höhere Denkfunktionen zu kontrollieren, wie die Uni Genf mitteilte. "Eine Fehlfunktion dieser Kommunikation verursacht schwere Erkrankungen, zum Beispiel das Tourette-Syndrom oder Zwangsstörungen", erklärte Michel. Gleiches gelte für die Parkinson-Krankheit.

Tief im Hirn

Um die Behandlung solcher Erkrankungen zu verbessern, braucht es ein besseres Verständnis der tiefer liegenden Hirnregionen und wie sie kommunizieren. Da das Implantieren von Elektroden aber nur zu therapeutischen Zwecken für einen sehr begrenzten Kreis an Patienten in Frage kommt, fehlte es bisher an größeren Datenmengen. Abhilfe schaffen soll nun die neue, schonende Methode, welche Michels Team in Zusammenarbeit mit einem Team um Veerle Visser-Vanderwalle der Universität Köln getestet hat.

Für ihre Studie arbeiteten die Forscher mit vier Zwangsstörungs- und Tourette-Patienten zusammen, die bereits implantierte Elektroden tragen. Deren Hirnaktivität maßen sie mithilfe der Elektroden und parallel mit EEG, also einem Elektrodennetz, das außen an ihrem Kopf angebracht wurde.

Die eigens entwickelten mathematischen Algorithmen erlaubten, die Daten über die Hirnströme aus dem EEG zu interpretieren und zu bestimmen, woher die gemessene Hirnaktivität stammte. So lieferte die neue Methode sehr ähnliche Ergebnisse wie die invasiven Messungen über die implantierten Elektroden. "Wir haben endlich nachgewiesen, dass Oberflächen-EEG genutzt werden kann, um zu sehen, was in den tiefsten Tiefen des Gehirns passiert, ohne direkt dort hinein zu gehen", so Michel.

Zwangsstörungen verstehen

Nach diesem Machbarkeitsbeweis wollen die Forscher ihre schonende Methode nun nutzen, um die Aktivität der subkortikalen Hirnregionen an mehr Personen zu erforschen als dies bisher möglich war. So hoffen sie, die Ursachen für Erkrankungen wie Tourette-Syndrom und Zwangsstörungen besser zu verstehen.

Längerfristig ließe sich die Methode allenfalls sogar weiterentwickeln, um damit auch tiefer liegende Hirnregionen von außen elektromagnetisch zu stimulieren. Solche "Tiefe Hirnstimulation" bedarf bisher ebenfalls implantierter Elektroden, kann aber beispielsweise bei der Parkinsonerkrankung Symptome lindern. (APA, 4.3.2019)