Der Dandy von nebenan: Robert Forster hat ein neues Album veröffentlicht und konzertiert in Linz und Wien.

Foto: Bleddyn Butcher / Tapete Records

Im Hintergrund hört man Vögel zwitschern. Kein Wunder, in Australien herrscht Hochsommer. "Es ist so heiß, wochenlang über 40 Grad", sagt Robert Forster am Telefon. Forster lebt in Brisbane. Der Singer-Songwriter hat eben ein neues Album veröffentlicht. Es heißt passenderweise Inferno, das Thema Klimawandel taucht also schon in der Popmusik auf. Schließlich entzündet die Hitze in der australischen Wüste mittlerweile den Boden.

Robert Forster ist einer der größten Songwriter Australiens. Mit dem 2006 gestorbenen Grant McLennan gründete er 1977 die Band The Go-Betweens. Sie schrammte bis zu ihrer Auflösung 1989 immer haarscharf an der Weltkarriere vorbei. Es bleibt eines der großen Rätsel der Popgeschichte, warum das nicht hatte sein sollen. Immerhin wurde und wird die Band kultisch verehrt und erlebte nach ihrer Reunion im Jahr 2000 eine fruchtbare Renaissance. Dann starb McLennan mit nur 48 Jahren.

Erstes Soloalbum in Berlin

Das war das Ende der Go-Betweens, Forster setzte seine Solokarriere fort, die er 1990 begonnen hatte. Wie sein erstes Album Danger in the Past hat er Inferno in Berlin aufgenommen. Es hat nur neun Songs, einen weniger als es bei den Go-Betweens und Forster eigentlich Tradition ist. Forster korrigiert: "Berlin ist eine Neun-Lieder-Stadt. Auch mein erstes Soloalbum bestand aus neun Songs."

Baby Stones vom ersten Soloalbum 1990, das hat damals Mick Harvey von Nick Caves Bad Seeds produziert.
TheArkive

Berlin war ein Zufall. Zwar lebt dort sein Sohn und betreibt die Band The Goon Sax, doch es lag an Victor van Vugt, der in der deutschen Hauptstadt sein Studio unterhält. Mit dem bekannten Produzenten hat Forster schon oft zusammengearbeitet, etwas Komfortzone in der Fremde darf sein.

Vertraut und neu

Ein Arbeiten aus einer Komfortzone heraus sei das aber nicht gewesen, widerspricht Forster. "Ich kannte nicht einmal den Schlagzeuger, bevor er ins Studio kam. Victor hat ihn empfohlen, und es hat super geklappt." Earl Harvin ist ein Big Shot an den Trommeln, er tourt mit den Tindersticks und hat für die Pet Shop Boys, die Frames oder The The_ gespielt. Der Rest bestand aus Freunden und Bekannten, darunter der Blumfeld-, Kante- und Die-Türen-Keyboarder Michael Mühlhaus. Die Live-Band, die Forster auf seiner Tour im Mai nach Linz und Wien begleitet, stammt hingegen aus Schweden.

Inferno ist ein klassisches Robert-Forster-Album geworden. Eloquentes Songwriting zu eingängigen Folk-Pop-Melodien mit Variationen im Tempo und der Laune des Vortrags; Neuland betritt man in dem Fach naturgemäß nicht, Foster sagt: "Ich war froh, dass ich noch Stellen auf der Gitarre fand, die ich noch nicht kannte. Das ist nicht selbstverständlich, irgendwann hat man das Gefühl, alles schon gespielt zu haben, was möglich ist."

Tributes und eine Doku

Dementsprechend klingt das Resultat vertraut und neu zugleich. Es lebt vom Charakter seines Schöpfers, seiner speziellen Art des Erzählens: Forster ist ein ewiger Bohemien, lebt sein Dandytum mit zarter Exzentrik aber ohne Extravaganzen. Er ist keine überdrehte Diva, er ist der kunstsinnige Nachbar von nebenan. Der, der im Anzug den Rasen mäht, wie er es im Video zu Inferno tut.

Der Titelsong seines neuen Albums: Inferno.
tapeterecords

Als solcher ist er – mindestens in Australien – eine Legende. In Brisbane wurde eine Brücke nach den Go-Betweens benannt, Forster veröffentlichte 2016 eine viel beachtete Erinnerung an McLennan und die Go-Betweens (Grant & I), es gibt Tribute-Konzerte und zuletzt erschien eine Doku über die Band namens Right Here. Mit der war er nicht ganz glücklich.

"Schön fand ich, dass sie ein cineastisches Moment hat, aber ich habe 18 Stunden lang über uns gesprochen, davon wurden sechs Minuten im Film gezeigt." Und die zweite Karriere der Band wird wie im Fast-Forward-Modus behandelt. Der aus Fanboy-Perspektive gemachte Vorschlag, die Geschichte der Go-Betweens als Netflix-Serie anzulegen entlockt Forster ein erschöpftes "exactly".

Posthume Karriere

Ungeachtet dieses Ungemachs scheint die Band posthum stärker in den australischen Mainstream einzusickern als zur Zeit ihres Bestehens. Mit dieser scheinbar übermächtigen Vergangenheit hat sich Forster arrangiert. Er ist froh, dass es sie gibt, freut sich über das anhaltende Interesse. Gerade beendete er die Arbeit für den zweiten Teil eines umfangreichen Boxsets, das ihre Geschichte abbildet.

Der erste Teil hieß G Stands For Go-Betweens: The Go-Betweens Anthology Volume 1 und ist 2015 erschienenen, der zweite Teil wird Ende des Jahres wieder bei Matador Records erscheinen. "Ich hab ein gutes Gefühl bezüglich der Band. Es ist vorbei, aber es geht weiter. Würde ich als The Go-Betweens touren und nur alte Songs spielen, das wäre ein Problem, aber das war nie ein Thema."

Die Weisheit alter Surfer

Life Has Turned A Page heißt es diesbezüglich auf Inferno. Es ist ein hübsches akustisches Kleinod, das Forster lebensnah zeigt. Der Song entspringt einem Gespräch, das Forster mit einem alten Surfer geführt hat. Das Leben geht weiter, eine neue Welle wird kommen. Man wird sie nehmen – oder auslassen. Je nach Laune. Zwang scheint Forster keinen zu verspüren. Das schlägt sich in der Musik wohltuend nieder.

Früher hat McLennan Forsters Songs gewissermaßen abgenommen, war der erste, der sie hörte. Das bedeutete, er wurde nur mit den besten Songs vorstellig. Vermisst er das? "Ja, aber natürlich geht das nicht mehr, aber ich denke, ich habe unseren Standard gut verinnerlicht." Hat er.

Inferno ist dafür ein weiterer Beleg. Der Rest ist, auf Forsters Seite, Vorfreude auf die Tour – "endlich wieder mit voller Band!" – und die Aussicht auf Kaffee und Kuchen in einem Wiener Kaffeehaus. (Karl Fluch, 2.3.2019)