Gerade für den Stadtverkehr sind sie eine praktische Alternative, wenn man nicht gerade begeisterter Radfahrer ist und von Öffis und Autos unabhängig sein will: die E-Scooter. Das Potenzial haben auch mehrere Leihanbieter erkannt. Mittlerweile tummeln sich fünf (Bird, Lime, Tier, Wind, Flash) in Wien, ein sechster – Arolla – hat sich bereits angekündigt, auch die skandinavische Firma Voi überlegt einen Start.

DER STANDARD

Auf Dauer ist das Ausleihen der Scooter allerdings nicht billig. Die meisten Anbieter verlangen einen Euro Grundpreis und 15 Cent je Minute. Bei häufiger Nutzung läppert sich das. Wer pro Wochentag zwei zehnminütige Fahrten absolviert, muss monatlich mit Kosten von etwa 100 Euro rechnen. Dementsprechend, so die subjektive Wahrnehmung, fahren auf den Radwegen und Straßen von Wien auch immer mehr Menschen mit privat erworbenen Scootern.

Viele von ihnen könnten aber, ohne es zu wissen, gesetzeswidrig unterwegs sein. Zahlreiche E-Scooter entsprechen "ab Werk" nicht der Straßenverkehrsordnung (StVO). Die schlechte Nachricht: Die Händler weisen darauf oft nicht hin. Die gute Nachricht: Viele der Scooter lassen sich einfach nachrüsten.

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Foto: REUTERS/Paul Hanna

Eigene Richtlinien-Version für Scooter

Eines der populärsten Scooter-Modelle ist der Xiaomi M365, den DER STANDARD vor einigen Monaten rezensiert hat. Auch er dürfte in seiner Verkaufsausführung wohl nicht ganz den neuen Regeln entsprechen.

Zur Feststellung ist es wichtig, diese Vorschriften zu kennen. E-Scooter, deren Maximalgeschwindigkeit zwischen 10 und 25 km/h liegt und die mit einer Motorleistung von bis zu 600 Watt operieren, werden als Fahrräder eingestuft. Als Basis hierfür gilt die Definition für elektrische Fahrräder im Kraftfahrgesetz, eine eigene Definition für elektrifizierte Tretscooter gibt es nicht.

Damit gelten für sie auch die Ausstattungsvorschriften für Räder, die in der Fahrradverordnung festgehalten sind. Vor kurzem wurden auf Basis dieses Regelwerks eigene Scooter-Vorschriften für Wien erlassen, die Rücksicht auf die Konstruktion der Roller nehmen. Deren Einhaltung soll nun auch verstärkt kontrolliert werden.

Sie lauten: Die elektrischen Roller müssen über zwei voneinander unabhängige Bremssysteme und eine Klingel verfügen, ein weißes oder gelbes Frontlicht sowie ein rotes Rücklicht besitzen. Ebenso vorgeschrieben sind weiße oder gelbe Reflektoren an Front und Vorderseite sowie ein rückseitiger roter Reflektor.

Auch der von Bird eingesetzte Xiaomi M365 muss mit Reflektoren nachgerüstet werden, um der StVO vollständig zu entsprechen.
Foto: STANDARD/Pichler

Nachrüstung oft einfach möglich

Der Xiaomi-Scooter erfüllt die Anforderungen hinsichtlich Geschwindigkeit, Leistung und Bremsen, ebenso bringt er die notwendige Lichtausstattung mit. Auch Reflektoren sind vorhanden, allerdings gibt es keine weißen oder gelben Seiten- und Frontreflektoren.

Praktisch alle in einer Stichprobe inspizierten Scooter-Modelle, darunter auch der Ninebot ES1 und ES2, sind nicht mit entsprechenden Reflektoren ausgerüstet. Die Nachrüstung ist allerdings einfach. Reflektoren oder entsprechende Klebefolien sind günstig im Handel erhältlich und lassen sich leicht anbringen. Im Gegensatz zu Rädern müssen die seitlichen Reflektoren nicht an den Speichen angebracht werden, sondern können auch – je nach Platz – am Rand des Trittbretts oder der Außenseite der Radgabeln kleben. Auch das Anbringen eines Vorderlichts oder einer Klingel an der Lenkstange sollte in der Regel unproblematisch sein.

Schwieriger wird es beim Rücklicht. Auch dieses fehlt bei manchen Geräten, etwa dem Iconbit Smart, dem Kawasaki Kick oder dem für Kinder vermarkteten Razor Power Core E90. Dieses zu ergänzen ist schlicht aufgrund ihrer Konstruktion höchstens mit einigem handwerklichen Aufwand zuverlässig möglich. Bei den meisten Scootern gibt es keinen Sattel und somit auch keine Sattelstange, womit ein Rücklicht nur am hinteren Kotflügel montiert werden kann.

Höchstgeschwindigkeit: Die Bauart entscheidet

Und dann gibt es auch noch die Kategorie der Scooter, deren Spezifikationen schlicht über dem Erlaubten liegen, da sie bis zu 30 km/h oder schneller fahren können. Diese Geräte verfügen meist über mehrere Geschwindigkeitsmodi, die eine Drosselung auf maximal 25 km/h ermöglichen. Doch auch wer nur mit einer solchen Einstellung fährt, verstößt eigentlich gegen das Kraftfahrgesetz.

Denn für die Einstufung eines Fahrzeugs ist nicht die tatsächliche Nutzung ausschlaggebend, sondern die Bauart. Ist ein Scooter also laut Hersteller in der Lage, eine Höchstgeschwindigkeit jenseits 25 km/h auf ebener Strecke zu fahren, müsste er als "Motorfahrrad" – sprich: Moped – zugelassen werden. Das setzt dann auch einen entsprechenden Führerschein ab der Klasse AM und weitere Ausstattung, Versicherung und Kennzeichen voraus.

Zu schneller Scooter: Nur ein Herstellerupdate hilft

Bei der Polizei geht man davon aus, dass ein E-Scooter mit zu hoher Maximalgeschwindigkeit gar nicht als Moped eingestuft werden könnte, wobei die Beurteilung letztlich der jeweiligen Landesprüfstelle obliegt. Abhilfe schaffen könnte nur ein Firmware-Update durch den Hersteller, das die Höchstgeschwindigkeit in jedem Modus auf das erlaubte Maximum beschränkt.

Grundsätzlich heißt das: Ein Scooter, der nicht dem Kraftfahrgesetz oder der Fahrradverordnung entspricht, darf nur auf privatem Grund genutzt werden, aber nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen. Wer mit einem inadäquat ausgestatteten Scooter erwischt wird, muss mit einer Strafe von mindestens 20 Euro rechnen. Wer einen Scooter nutzt, der das Leistungs- oder Geschwindigkeitslimit überschreitet kann, kann deutlich teurer aussteigen.

Foto: Mediamarkt

Mediamarkt verkauft 30-km/h-Scooter ohne Hinweis

Dass viele Scooter im Verkaufszustand eigentlich nicht "straßentauglich" sind, darauf weisen aber viele Händler nicht oder nur im Kleingedruckten hin. Im Stores Mobilfunkers "3", der unter anderem den Kawasaki Kick und Xiaomi M365 verkauft, steht am Ende der Produktseiten erst im "Kleingedruckten", dass die Kunden sich "vor der Verwendung über die entsprechenden Rechte und Pflichten (…) informieren" mögen.

Gar nicht zu finden ist ein entsprechender Hinweis in den Onlinestores von Saturn und Mediamarkt. Dort wird mit dem Walberg Egret Ten V3 ein Scooter um rund 1.500 Euro feilgeboten, der bis zu 30 km/h fahren kann. Ein Vermerk über dessen Inkompatibilität mit der StVO ist aber weder direkt auf der Produktseite noch in den vollständigen Produktdetails zu entdecken.

Bei diversen Scooter-Angeboten bei Amazon ist die Angabe teils in der Artikelbeschreibung, teils in der Spezifikationsübersicht und teils gar nicht zu finden. Das gleiche Bild zeigt sich auf den Seiten verschiedener kleinerer Händler aus Österreich.

Leihanbieter und Gesetzgeber rüsten nach

Wer sich ein solches Fahrgerät zulegen möchte, sollte nicht vergessen, es auf seine StVO-Eignung zu prüfen und gegebenenfalls bei der Ausstattung nachzurüsten.

Die Vorschriften gelten freilich auch für die Scooter der Leihanbieter, die zeitnahe Nachrüstung versprochen haben, die teilweise auch schon mit Reflektorstickern erledigt wurde. Auf die adäquate Ausstattung des Leihrollers müssen allerdings die Benutzer achten, denn sie müssen im Falle des Falles die Strafe bei der Polizei entrichten.

Seitens der Regierung will man übrigens bald mehr Klarheit hinsichtlich des Umgangs mit den E-Scootern in ganz Österreich schaffen. Wie das Verkehrsministerium gegenüber dem STANDARD erklärte, wird demnächst eine Novelle der StVO in Begutachtung geschickt, die explizit Regeln für die neuen Verkehrsteilnehmer festlegen wird. (Georg Pichler, 8.3.2019)