Das Quartier 11 auf den ehemaligen Freytag-Gründen in Simmering wurde im Vorjahr fertiggestellt. Ein ausgeklügeltes System von Erdsonden wärmt und kühlt die Wohnungen je nach Bedarf.

Foto: KallCo

Zweimal im Jahr, voraussichtlich im Juni und im September, wird im Neubauprojekt "Quartier 11" in Wien-Simmering künftig ein Schalter umgelegt. Bedient wird er von der Hausverwaltung; diese stellt ihn – je nach Jahreszeit – entweder auf "Heizen" oder auf "Kühlen".

Bauträger Kallco stellte die Anlage mit 325 Wohneinheiten in acht Baukörpern, die in zwei Bauphasen errichtet wurden, im vergangenen Sommer bzw. Herbst auf den ehemaligen Freytag-Gründen in Simmering fertig und übergab sie gleichzeitig an Investor Bank Austria Real Invest. Die ersten Mieter zogen noch im Sommer 2018 ein, ein knappes Drittel der Wohnungen ist derzeit noch frei.

Der seit 2017 zum Linzer WAG-Konzern gehörende Bauträger Kallco hat hier – so wie auch beim "Haus am Park" im Sonnwendviertel, wo das Unternehmen seinen Sitz hat – zwei seiner (patentierten) Erfindungen vereint: das "Slim Building"-Verfahren, das auf schlanke Strukturen setzt und ganz ohne tragende Fassadenwände auskommt, und den "Klima Loop", die Bereitstellung von Wärme und Kälte mithilfe eines Erdsondenfeldes. Letzteres ist natürlich keine neue Erfindung, Kallco hat sie hier aber speziell für den großvolumigen Wohnbau zu optimieren versucht. Insbesondere die Verbindung der beiden Patente mache die Bauweise sehr wirtschaftlich, erklärt Kallco-Geschäftsführer Stefan Eisinger-Sewald. Er hat gemeinsam mit dem Gründer und ehemaligen Eigentümer Winfried Kallinger den Klima Loop erfunden. "Low Cost, Low Tech" nennt er das System, dessen Errichtungskosten er auf 80 bis 120 Euro je Quadratmeter Nutzfläche beziffert.

80 Sonden im Boden

Relativ simpel ist auch die Funktionsweise des Klima Loop, der u. a. mit Klimaaktiv in Gold ausgezeichnet wurde. Steht der Schalter auf Heizen, wird über 80 Erdwärmesonden, die 150 Meter tief reichen, dem Boden Wärme entnommen. Mit einer Vorlauftemperatur von 35 Grad Celsius sorgt das System über die Rohre der unter dem Parkett verlegten Fußbodenheizungen überall für behagliche Wärme.

Wird der Schalter in den warmen Sommermonaten auf Kühlen gestellt, wird über ein zweites Rohrsystem in den Geschoßdecken (Bauteilaktivierung) den Räumen Wärme wieder entzogen. Diese Wärme wird dem Erdreich wieder zugeführt, der Wärmespeicher also wieder aufgefüllt; diese Speicherregeneration soll einen langlebigen Rhythmus aus Wärmenutzung und Wärmewiedergewinnung ermöglichen. So will man dem allmählichen Rückgang des Wirkungsgrads des Erdspeichers, der ohne Regeneration laut Eisinger-Sewald nach etwa 25 Jahren einsetzt, entgegenwirken. Mit der Wiederauffüllung könne das System "wie ein Perpetuum mobile" dauerhaft funktionieren.

Erdwärme unterstützt Fernwärme

Ziel des Projekts Klima Loop war es, die Kühlung zu 100 Prozent bereitzustellen, sodass die Gebäude ganz ohne Klimageräte auskommen. Beim Heizen unterstützt die Erdwärme den vorhandenen Fernwärmeanschluss (der auch fürs Warmwasser benötigt wird), was die Heizkosten zumindest reduzieren sollte. Um wie viel, "wird man sehen, wenn die Evaluierung abgeschlossen ist", so der Geschäftsführer. Er will künftig alle Wohnprojekte mit dem Klima Loop ausstatten. Und er ist gerade dabei, das System zum "Klima Loop Plus" weiterzuentwickeln, der dann ganz ohne zusätzliche öffentliche Energienetze wie Fernwärme und Strom (für den Betrieb der Wärmepumpen) auskommen soll. Beim nächsten Wohnprojekt im Entwicklungsgebiet Berresgasse will man das Upgrade schon anwenden.

Schalter gibt es übrigens nicht nur für die Hausverwaltung, sondern auch in jeder Wohnung. So kann jeder Bewohner selbst entscheiden, ob er kühlen will oder nicht, erklärt Eisinger-Sewald. Am effizientesten sei die Anlage aber, wenn so viele wie möglich mitmachen würden. (Martin Putschögl, 6.3.2019)