ORF-Chef Alexander Wrabetz, hier bei den Medientagen 2018.

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Wien – Harmonie ist kaum zu erwarten, wenn 100 ORF-Betriebsräten mit dem Generaldirektor und dem obersten Finanzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zusammentreffen. Nicht in Zeiten absehbarer Kürzungen mit einem türkisblauen ORF-Gesetz. In Zeiten von "Ressourcenmanagement", von Automatisierung und von 300 Millionen Euro sowie 300 Jobs schweren Sparversprechen. Und vor drei Betriebsratswahlen im ORF. So kam es denn auch am Dienstag dieser Woche.

"Erwartbar heftig", so beschreiben Sitzungsteilnehmer das Klima in dieser ORF-Betriebsräteversammlung. Mit teils sehr persönlichen Angriffen, von denen einer Finanzdirektor* Andreas Nadler vorübergehend (und nachvollziehbar) die Contenance verlieren ließ. Dabei hatte Nadler eigentlich auch ganz gute Nachrichten mitgebracht – die 2018 nicht ausbezahlten Beiträge zur Pensionskasse könnten heuer nachgereicht werden.

ORF-Gesetz im Nebel

Personalvertreter beklagten etwa die dürre Informationslage über das ORF-Gesetz, an dem ÖVP und FPÖ gerade arbeiten. ORF-Chef Alexander Wrabetz konnte oder mochte da wenig zur Erhellung beitragen. Ob der ORF auch künftig GIS-Gebühren bekommt (präzise: Programmentgelt) und wieviel, oder ob ihn die Republik doch aus dem Bundesbudget alimentiert, sei ebenso unklar wie der Programmauftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den Türkis wie Blau präzisieren oder gleich neu formulieren wollen.

Klarer scheint schon, dass der ORF online künftig ein paar Beschränkungen wie das Sieben-Tage-Limit für das Nachsehen nach der Ausstrahlung hinter sich lassen kann. Recht konkret scheint auch, dass ein Vorstand von voraussichtlich vier Mitgliedern den ORF statt eines Alleingeschäftsführers führt. Doch auch diese beiden Punkte nahmen Betriebsräte aus Wrabetz' Vortrag als ungewiss mit. Im Sommer oder spätestens Herbst rechnet Wrabetz demnach mit dem neuen Gesetz (oder zumindest einem Gesetzesentwurf, aber ab dem Entwurf soll es eher rasch gehen).

Zur Unklarheit über die künftige Finanzierung insgesamt gesellte zuletzt sich die Unbill einer Sammelklage gegen die Umsatzsteuer auf GIS-Gebühren (DER STANDARD berichtete). Die Steuer müsste im Falle des Falles zwar die Republik rückerstatten. Aber für den ORF fiele damit Vorsteuerabzug weg. Volumen: rund 130 Millionen Euro pro Jahr.

100 Vollzeitstellen sollen allein heuer abgebaut werden. Die Betriebsräte sehen die Belastungsgrenze in vielen Redaktionen und anderen Bereichen des ORF erreicht; weiteres Sparen gehe an die (Programm-)Substanz. ("ZiB 2"-Anchor Armin Wolf warnte zuletzt ebenfalls vor "Totsparen" des ORF.)

Ressourcen und ihr Management

Richtig ernst wurde der erwartbare Konflikt beim "Ressourcenmanagement". Worum es da geht, ist eine Frage der Perspektive. Aus Managementsicht: um den wirtschaftlichen Einsatz von Personal. Oder, wie Nadler das Vorhaben erklärte: Der ORF sollte vermeiden können, fünf Kamerateams zu ein und demselben Termin zu schicken. "Das muss doch möglich sein." Aus Personalvertreterperspektive aber droht da ein kaufmännisches Kontrollinstrument insbesondere für die Journalisten des ORF und ihre Arbeit.

Gerhard Moser, Vorsitzender des ORF-Zentralbetriebsrats, berichtet von "Befürchtungen, über ein Benchmarking sollen Kontrollmaßnahmen eingeführt werden. Das ist rechtlich absolut bedenklich, für Journalisten wie für andere Mitarbeiter. Bei den Journalisten kommen dazu noch Fragen der Unabhängigkeit der Berichterstattung." Neben dem Arbeitsverfassungsgesetz widerspräche solche Kontrolle auch dem Redakteursstatut. Das Management verneint Kontrollambitionen dieser Art.

Betriebsratswahlen im Herbst

Im Herbst wählen gewichtige ORF-Bereiche ihre Personalvertreter: Die Technik, traditionell tiefrot, gilt als ausgemachtes Angriffsziel von ÖVP und FPÖ bei einer Neuorganisation des ORF. Sie könnte, wie schon im Bewerbungskonzept von Richard Grasl um die ORF-Generaldirektion 2016, aufgeteilt werden, die Produktionstechnik etwa wie unter ORF-General Gerhard Zeiler in den 1990ern zum Programm verlegt.

Technik-Betriebsratschef Gerhard Berti ist Koalitionspartner von Gerhard Moser im Zentralbetriebsrat. Moser (Literatur) war bis 2015 Betriebsratschef im ORF-Radio, seither ist Gudrun Stindl (Wissenschaft) Obfrau im ORF-Radio.

Im Herbst wählt auch der – relativ kleine – Betriebsratsbereich kaufmännische Direktion einen neuen Betriebsrat. Dort hat eine bürgerliche Liste bisher die meisten Stimmen. (fid, 1.3.2019)