Der Traum von den eigenen vier Wänden, ein neues Auto oder einfach ein Konsumkredit – es gibt zahlreiche Motive für Privatpersonen, Schulden aufzunehmen. Getan haben es die Österreicher zuletzt jedenfalls, innerhalb von zwei Jahren haben die Ausleihungen an Haushalte hierzulande um mehr als sechs Prozent zugenommen, sodass diese Ende des Vorjahres mit insgesamt fast 162 Milliarden Euro in der Kreide standen.

Oft ist der Traum von den eigenen vier Wänden für Private die Triebfeder, sich zu verschulden. Bei variablen Darlehen kommen auf die Kreditnehmer bald Änderungen zu.
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Obwohl der Anteil variabel verzinster Kredite zuletzt stetig gesunken ist, lag er immer noch bei etwas mehr als drei Vierteln dieser Summe. Und genau bei diesen Kreditverträgen steht demnächst eine Änderung an: Der Referenzzinssatz Euribor, aus dem sich die variable Verzinsung zuzüglich eines Zinsaufschlags üblicherweise zusammensetzt, wird nämlich demnächst in Rente geschickt und durch einen Nachfolger ersetzt. Wie der Euribor soll auch dieser die Zinssätze am Interbankenmarkt abbilden, also jene Konditionen, zu denen sich Kreditinstitute untereinander für einen bestimmten Zeitraum Geld borgen.

Zinsmanipulation in London

Auslöser der anstehenden Änderungen war der im Jahr 2011 aufgeflogene Skandal um den Londoner Referenzzinssatz Libor. Da dieser auf Basis der Meldungen von Instituten an den britischen Bankenverband ermittelt wurde, war für Manipulationen Tür und Tor geöffnet – eine Einladung, die von den Bankern dankend angenommen wurde. Die beteiligten Geldhäuser hatten zuvor untereinander ausbaldowert, welche Daten übermittelt werden, um den Referenzzinssatz in ihrem Interesse zu manipulieren.

Um solchen Machenschaften einen Riegel vorzuschieben, hat die EU im Jahr 2016 die sogenannte Benchmark-Verordnung erlassen: Die Referenzzinssätze sollen der wirtschaftlichen Realität entsprechen und auf beobachtbaren Transaktionen beruhen, lautet die Vorgabe aus Brüssel. Umzusetzen ist sie laut dem ursprünglichen Zeitplan bis Ende 2019 – ein Termin, der allerdings gehörig wackelt.

Verlängerung wahrscheinlich

Laut Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer, spricht sich die Branche aufgrund der Komplexität für eine Verschiebung der Umstellung um zwei Jahre aus, also bis spätestens Ende 2021. Die EZB würde dies befürworten, daher geht Rudorfer davon aus, dass die Frist verlängert wird.

Der Euribor-Nachfolger soll doppelt abgesichert, also gewissermaßen mit Gürtel und Hosenträger, ermittelt werden.
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Das European Money Market Institute, kurz Emmi, will als Ersatz für den alten Euribor bis Jahresende einen neuen, hybriden Referenzzinssatz Euribor einführen. Die Laufzeiten der Zinssätze sollen eine Woche bis zwölf Monate betragen. Die neue Ermittlungsmethode soll laut Rudorfer "mit Gürtel und Hosenträger" erfolgen, also doppelt abgesichert. Primär sollen Marktdaten zur Berechnung herangezogen werden. Sollte dies nicht möglich sein, wie während der Finanzkrise, als der Interbankenmarkt mangels Vertrauens zeitweise völlig zusammenbrach, werden Daten vergleichbarer Transaktionen und nur notfalls Befragungen verwendet.

"Für Kunden wird sich nicht viel ändern", fasst Rudorfer zusammen. Sprich, Euribor alt und neu sollten für die jeweils gleiche Laufzeit "zu sehr ähnlichen Werten" kommen. "Es kann für Konsumenten eigentlich nicht zum Nachteil sein", meint Martin Korntheuer von der Arbeiterkammer. "Das stärkt den Verbraucherschutz europaweit."

Auf die Finger schauen

Dennoch kündigt er an, den Banken bei der Umstellung genau auf die Finger zu blicken. "Der Kunde muss über die Änderungen schriftlich informiert werden", betont Korntheuer – und zwar mindestens zwei Monate im Vorhinein. Dass sich aus der Umstellung ein Sonderkündigungsrecht ableiten lässt, glaubt der Konsumentenschützer allerdings nicht.

"Das ist eine große Umstellung für die Banken – und viele stehen dabei noch ganz am Anfang", sagt Bernhard Kronfellner vom Unternehmensberater Boston Consulting Group. Für die größten heimischen Institute schätzt er die Kosten auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Denn die Umstellung betreffe bankintern viel mehr Bereiche als nur Privatkredite. Unter dem Strich überwiegen auch für Kronfellner die positiven Aspekte: "Es ist in Summe eine gute Nachricht für Konsumenten. Es gibt kein Ausverhandeln am grünen Tisch mehr." (Alexander Hahn, 3.3.2019)