Michel Barnier mit Theresa May in Brüssel.

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Berlin – Die EU will London im Brexit-Streit über den Backstop weiter entgegenkommen. "Wir wissen, dass es in Großbritannien ein Misstrauen gibt, der Backstop könne eine Falle werden, in der die Briten auf immer an die EU gebunden sind", sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier der deutschen Zeitung "Die Welt" (Samstag-Ausgabe).

"Wir sind bereit, weitere Garantien, Versicherungen und Klarstellungen zu geben, dass der Backstop nur temporär sein soll." Der Backstop soll garantieren, dass die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland auch nach dem Brexit offen bleibt. Bis eine andere Lösung gefunden ist, soll notfalls ganz Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleiben. Kritiker befürchten aber eine dauerhaft enge Bindung an die Staatengemeinschaft.

Kein Zeitlimit, kein Ausstiegsrecht

Die EU wird aber kein Zeitlimit oder ein einseitiges Ausstiegsrecht der Briten zulassen. Barnier: "Was es geben kann, ist die Zusage einer Begrenzung des Backstops durch ein Abkommen über die künftige Beziehung. Und dies in Form eines interpretierenden Dokuments."

Das britische Parlament soll am 12. März erneut über den Austrittsvertrag abstimmen, den es Mitte Jänner abgelehnt hatte. Premierministerin Theresa May sagte kürzlich, sie stehe kurz davor, Zugeständnisse aus Brüssel zu erhalten. Danach hatte das Unterhaus May darauf festgelegt, bei Ablehnung des Vertrags und eines sich abzeichnenden No Deal auch über die Option einer Brexit-Verschiebung abstimmen zu dürfen.

Barnier bekräftigte, dass die Mitgliedstaaten der EU offen seien für eine Verlängerung der Brexit-Frist, wenn auch mit Bedingungen. Die Staaten wollten wissen, wozu die Verschiebung gut sein solle. Der EU-Chefunterhändler bestätigte, dass eine Verlängerung der Brexit-Frist vom Europäischen Rat beschlossen werden müsse, und zwar einstimmig. "Also müsste das, falls nach dem 14. März ein solcher Antrag kommt, beim nächsten EU-Rat am 21. März entschieden werden."

Weber gegen britische Beteiligung an EU-Wahl

Unterdessen wächst im Brexit-Streit der Druck auf den britischen Verkehrsminister Chris Grayling, von seinem Amt zurückzutreten. Kritiker etwa der oppositionellen Labour-Partei werfen ihm vor, Milliarden an Steuergeldern zu verschwenden. So vergab sein Ministerium einen Auftrag für einen Fährdienst im Falle eines No Deal über den Ärmelkanal an eine Firma, die gar keine Schiffe hat. Hohe Zahlungen gehen im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung an die Betreiber des Eurotunnel, die sich benachteiligt fühlen. In sozialen Netzwerken gibt es zig Scherze über den Minister (#failinggrayling).

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat sich unterdessen gegen eine Beteiligung der Briten an der Europawahl im Mai ausgesprochen. "Eine Teilnahme der britischen Bürger an der Europawahl ist für mich undenkbar", sagte der CSU-Politiker dem "Spiegel". "Ich kann doch in Deutschland oder Spanien niemandem erklären, dass Bürger, die die EU verlassen wollen, noch mal wesentlichen Anteil daran nehmen sollen, deren Zukunft zu gestalten", begründete Weber seine Position. Die EU müsse ihre Gremien reformieren und ihre eigenen Probleme in den Griff bekommen. "Da kann ich nicht zulassen, dass die britische Tragödie auch noch den Rest der EU ansteckt und letztlich die Populisten füttert."

Wie der Zeitplan aussieht

Weber betonte, dass die von der britischen Premierministerin Theresa May ins Gespräch gebrachte Verschiebung des für den 29. März geplanten EU-Austritts allenfalls für einen kurzen Zeitraum möglich sei. Die Idee, ein zweites Brexit-Referendum abzuhalten, sieht Weber dagegen positiv. Der britische Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte in einer Kehrtwende diese Woche seine Unterstützung für einen zweiten Volksentscheid erklärt.

Sollte May bis zum 12. März nicht die notwendige Mehrheit für das von ihr mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen erlangen, stimmen die Abgeordneten voraussichtlich am 13. März über einen Austritt ohne Vertrag ab. Wird auch dieser abgelehnt, entscheiden sie am 14. März über eine Verschiebung des Austrittsdatums. (APA, Reuters, 2.3.2019)