Kaum gibt es in Deutschland ganz reale Fahrverbote, steigen auch die Zweifel an ihrer Sinnhaftigkeit. Dass Betroffene zornig sind, versteht sich von selbst.

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Peter Mock versteht die Verunsicherung bei Konsumenten.

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Das vergangene Jahr war für den Dieselantrieb ein Desaster. In Deutschland wurden Fahrverbote ausgesprochen, über die Schadstoffgrenzwerte brach eine heftige Diskussion aus, ebenso intensiv wurde gestritten, ob die Autobauer für die Nachrüstung der älteren Dieselmodelle aufkommen müssen. All das hat Konsumenten verunsichert. Auch derzeit, sagt der Abgasaufklärer Peter Mock, sei es gar nicht so einfach, einen Diesel zu kaufen, der auch sicher sauber sei.

STANDARD: In Deutschland sind Fahrverbote in Kraft, an ihrer Sinnhaftigkeit wird gezweifelt, und ein Lungenarzt hat die Debatte um die Grenzwerte entfacht. Was sollen die Konsumenten jetzt glauben?

Mock: Die Mehrzahl der Experten steht nicht hinter den Zweifeln. Es sind einige wenige, die sehr laut sind. Die Gesellschaft der Lungenärzte hat eine ganz andere Position und unterstützt die WHO. Ich finde es gefährlich, den paar sehr lauten relativ viel Raum zu geben. Die Schadstoffgrenzwerte sind von Experten festgelegt worden, die aus vielen Studien geschlossen haben, dass sie notwendig sind, um die Gesundheit zu schützen.

STANDARD: Recht haben könnten die Skeptiker und Zweifler nicht?

Mock: Die WHO-Werte sind tatsächlich strenger als das, was wir derzeit in Europa als Grenzwerte haben. In den meisten Fällen sind die europäischen Werte aber weniger streng als jene in den USA und ganz besonders jene in Kalifornien. Es ist also bei weitem nicht so, dass wir die strengsten Luftqualitätswerte und die strengsten Abgasstandards für Fahrzeuge haben.

STANDARD: Es geht trotzdem um die Frage, ob man das technisch erreichen kann.

Mock: Natürlich kann man das. Wir können Fahrzeuge bauen, die sehr sauber sind und sehr wenige Emissionen haben. Benzinfahrzeuge sind dafür ein Paradebeispiel, gerade wenn sie Direkteinspritzer und mit Partikelfilter ausgerüstet sind, sind sie sehr sauber, was die Partikel angeht. Und sie haben gleichzeitig sehr niedrige Stickoxidemissionen. Dazu kommt, dass sie gleichzeitig wesentlich günstiger sind als Dieselfahrzeuge.

STANDARD: Was zählt das Argument, es sei technisch aufwendig, die Werte zu erreichen?

Mock: Wenig. Es gibt eine Reihe von Technologien, mit denen man die Grenzwerte gut und zu vernünftigen Kosten erreichen kann.

STANDARD: Warum tun sich die Hersteller dann so schwer damit?

Mock: Teile der Industrie sind sehr progressiv. Der CEO eines großen deutschen Herstellers hat mir gesagt, dass er überhaupt nichts davon hält, die Grenzwerte anzupassen. Sondern es geht darum, die richtigen Technologien auf den Markt zu bringen. Dieser Hersteller ist davon überzeugt, dass sie die Grenzwerte schon heute mit den neuen Dieselfahrzeugen und auch in Zukunft ohne Probleme erreichen können. Das gilt nicht für alle, Fiat ist so ein Beispiel. Das ist das Problem.

STANDARD: Zäh bleibt die Frage nach der Dieselnachrüstung.

Mock: Davon haben die Autobauer ja nichts. Wenn sie sich darauf einlassen, würden sie alte Fahrzeuge aufrüsten und besser machen und damit die Kunden davon abhalten, sich neue zu kaufen. Solange sie nicht gezwungen werden, die alten Fahrzeuge nachzurüsten, werden sie das nicht tun. Sie haben gute Chancen, diesen Kampf zu gewinnen.

STANDARD: Und der Imageverlust beim Diesel?

Mock: Den nimmt man im Moment in Kauf. Die Nachrüstung wäre aus Sicht der betroffenen Hersteller schlicht zu teuer. Die Politik versucht das Problem auszusitzen. Man weiß, je länger man wartet, umso mehr dieser alten Fahrzeuge verschwinden ganz natürlich vom Markt. Und unser Verkehrsminister sagt: Städte, wehrt euch, erkennt diese Fahrverbote nicht an.

STANDARD: Am Ende betrifft es die Leute mit älteren Modellen.

Mock: Die haben das Nachsehen und werden zweifellos früher oder später ausgesperrt.

STANDARD: Wie sieht es mit den neuen Dieselfahrzeugen aus. Können Konsumenten sie ohne Bedenken kaufen?

Mock: Man muss derzeit ganz genau hinschauen. Im Moment werden noch viele Modelle verkauft, die zwar verkauft werden dürfen, aber schon ältere Technik haben. Das zu erkennen ist sehr schwierig. Es gibt die Euro-6-d-temp-Abgasstufe. Die nächste Stufe wird dann Euro-6 d heißen, die müsste schon sehr sauber sein, aber die gibt es im Moment eigentlich noch nicht zu kaufen.

STANDARD: Was können Konsumenten jetzt tun?

Mock: In ein, zwei Jahren kann man wohl so ein Fahrzeug guten Gewissens kaufen. Um zu wissen, ist das alte Technologie oder schon die neueste, die ich auch in ein paar Jahren noch fahren kann, würde ich mich im Moment zum Beispiel bei einem Autoklub, der unabhängige Messungen durchführt, informieren.

STANDARD: Diese Ungewissheit ist für die Industrie schlecht, oder?

Mock: Ja. Manche Leute argumentieren verständlicherweise, das sei ihnen zu kompliziert. Künftig wird der Diesel am Pkw-Markt gerade bei den kleineren Modellen wohl keine Rolle mehr spielen.

STANDARD: Nun wenden sich viele Hersteller der E-Mobilität zu. Die Ökobilanz der E-Autos ist auch nicht einwandfrei. Kann ich als Konsument trotzdem einen Stromer kaufen?

Mock: Es stimmt auf jeden Fall, dass die Batterieproduktion ein großer Aufwand ist. Da entstehen viele Emissionen. Auf der anderen Seite gibt es während des Fahrens sehr viel weniger Emissionen, weil kein Kraftstoff verbrannt wird. Deswegen kommt es sehr auf das Land an. Hier in Deutschland hat ein typisches Golf-Fahrzeug mit Batterieantrieb bei dem derzeitigen Strommix über die Lebensdauer ungefähr die gleichen C02-Emissionen wie die effizienteste Dieselvariante am Markt.

STANDARD: Also gerade so gut wie der beste Verbrennungsmotor und damit nicht besonders toll?

Mock: Die Perspektive ist jedenfalls positiv, weil sich der Strommix jedes Jahr ein bisschen verbessert. Beim Verbrennungsmotor ist das eher umgekehrt. Ich brauche ja immer mehr Energie, um Erdöl aus dem Boden zu pressen.

STANDARD: Wird Mobilität langfristig grundsätzlich teurer werden?

Mock: Ja, Mobilität wird teurer werden. Die letzten 150 Jahre seit der Industrialisierung hatte C02 keinen Preis und hatten die Auswirkungen auf die Umwelt keinen Preis. Wenn wir das jetzt einrechnen und die realen Kosten sehen wollen, dann wird Verkehr teurer. (Regina Bruckner, 4.3.2019)