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In der ehemaligen IS-Hauptstadt Raqqa erinnern noch Plakate an die Schreckensherrschaft der Terrormiliz. Kurden haben nun einen Österreicher festgenommen, der sich dem IS angeschlossen hatte.

Foto: Reuters / Nour Forrat

"Österreich, Wien", sagt der IS-Kämpfer, als er gefragt wird, woher er eigentlich kommt. Der junge Mann auf dem Video, das seit dem Wochenende in sozialen Netzwerken kursiert, wird derzeit von kurdischen Soldaten in Syrien festgehalten. Er habe sich in Wien radikalisiert, sagt er in die Kamera. Hier sei er angesprochen worden, hier sei er in einschlägigen Moscheen verkehrt.

Laut Informationen des STANDARD handelt es sich bei dem Mann um einen kurdischen Aleviten, der bereits in Wien geboren wurde. Sein Name ist der Redaktion bekannt. Seine Eltern stammen demnach aus Dersim in der Türkei. Über Vermittlung radikal-islamischer Kreise soll er zunächst nach Ägypten gereist sein, um dort Arabisch zu lernen. Nach seiner Rückkehr habe ihn erstmals die österreichische Polizei einvernommen.

Rückreise nach Wien, Rückreise nach Syrien

2013 soll er dann, in Begleitung anderer türkischstämmiger Männer aus Wien, nach Syrien gegangen sein, um sich islamistischen Kämpfern anzuschließen. Nach einer Schussverletzung sei er in der Türkei medizinisch versorgt worden und dann zunächst nach Wien zurückgekehrt. Die eigenen Eltern hätten ihn hier bei der Polizei angezeigt, er sei abermals einvernommen worden – aber eben nicht inhaftiert. Seit 2015, sagt er selbst, sei er wieder in Syrien.

Der Terrorismusforscher Thomas Schmidinger von der Universität Wien hält das im Netz kursierende Video jedenfalls für echt: Auch seinen Erkenntnissen zufolge sei der Mann vor einigen Jahren Richtung Syrien ausgereist. "Die Informationen, die wir über sein Verschwinden haben, und das Video stimmen überein", so Schmidinger. Andere Wiener, die ihn früher gekannt hätten, würden seine Identität bestätigen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) prüfte am Sonntag das Video noch und versuchte "die Angaben zu verifizieren". Auch das Außenministerium erklärte zunächst, noch "keine gesicherten Erkenntnisse" zu haben, und verwies dabei auf die "sehr eingeschränkten Möglichkeiten" in den syrischen Konfliktgebieten.

Umstrittene Schätzung

An die 100 IS-Kämpfer aus Österreich sollen sich laut BVT noch in Syrien und dem Irak befinden. Schmidinger will diese Schätzungen jedoch nicht bestätigen. Die unter anderem aus Kurden bestehenden Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die in Syrien gegen den IS kämpfen, hätten derzeit diesen einen Mann in Gewahrsam sowie eine Frau mit Kind, die er selbst getroffen habe, sagte Schmidinger dem STANDARD. "Außerdem weiß ich von mindestens zwei österreichischen Staatsbürgerinnen, die sich im letzten IS-Camp aufgehalten haben und insgesamt drei Kinder haben", so Schmidinger. "Ich vermute, dass auch sie mittlerweile in kurdischer Haft sind."

Es gebe nur drei Möglichkeiten, wo Österreicher in der Region in Haft sein könnten: Erstens das syrische Regime, das an den aktuellen Kämpfen aber nicht beteiligt sei. Zweitens der Irak, der zuletzt verneinte, Österreicher in Haft zu haben. Und die SDF, wo es keine zusätzlichen Informationen gebe. Daher seine Annahme über eine geringere Zahl als jene des BVT.

In der Debatte über die Rücknahme von IS-Kämpfern durch europäische Staaten wünscht sich Schmidinger mehr Rationalität. "Es muss eine Lösung gefunden werden, wo entweder die betreffenden Personen in ihren jeweiligen Staaten vor Gericht gestellt werden, oder vor ein internationales Gericht, das dann auch finanziert und entsprechend geschützt werden muss", so Schmidinger.

Einzelfälle prüfen

Karoline Edtstadler, Staatssekretärin und ÖVP-Kandidatin für die Europawahl, betonte in der ORF-Pressestunde den prioritären "Schutz der österreichischen Bevölkerung", stellte sich aber gegen die Forderung, gefangenen IS-Kämpfern die Staatsbürgerschaft abzuerkennen: "Nach internationalen Abkommen ist es unzulässig, Staatenlose zu produzieren. Daran halten wir uns." Es gelte, Einzelfälle vor einer eventuellen Rückführung genau zu prüfen: "Wenn es um österreichische Staatsbürger geht, muss Österreich seine Schutzpflicht beachten." (Gerald Schubert, Michael Völker, 3.3.2019)