Die Neuregelung des Karfreitags regt auf. Aus einem Feiertag für wenige wurde ein persönlicher freier Tag für alle. Wer künftig freihaben will, muss einen "persönlichen Urlaubstag" nehmen.

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Fast jeder freut sich über einen arbeitsfreien Tag, sogar Unternehmer und Geschäftsführer. Doch persönliche Vorteile sind keine Grundlagen für politische Entscheidungen. Und so kann man sich für sich selbst einen neuen Feiertag wünschen, aber den Weg dorthin für politisch nicht richtig halten.

Der Karfreitag war in Österreich in der Zweiten Republik immer ein Werktag für fast alle Berufstätigen. Nur für Protestanten und Altkatholiken wurde im Generalkollektivvertrag eine Ausnahme geschaffen. Sie konnten an dem Tag beten gehen, ohne dafür einen Urlaubstag zu verbrauchen. Die notwendige Arbeit musste gegebenenfalls von anderen Kollegen im Unternehmen geleistet werden. Ora et non labora.

Vermiedener Werktag

Dieses Sonderrecht war diskriminierend und unsolidarisch. Es wurde – erwartbar und längst überfällig – vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) kassiert, der in seinem Urteil festhielt, dass ein gesetzlicher Feiertag für alle zu gelten habe. Jetzt war der Karfreitag aber gar kein Feiertag, der manchen vorenthalten wurde, sondern ein Werktag, der von manchen vermieden wurde.

Die naheliegende Reparatur bestand nun darin, diesen exklusiven Feiertag zu streichen. Um freie Religionsausübung nicht unnötig zu beeinträchtigen, wird Arbeitnehmern ermöglicht, zukünftig einen beliebigen Tag als einseitig durchsetzbaren Urlaubstag zu nehmen. Ein Gewinn für alle Arbeitnehmer, weil diese Bestimmung nicht weltanschaulich diskriminierend ausgestaltet ist. Niemand verliert etwas. Protestanten und Altkatholiken dürfen eine ungerechtfertigte Bevorzugung hinter sich lassen und können am Karfreitag weiterhin selbstbestimmt freihaben.

Große Empörung

Für ideologische Unterstützer arbeitnehmerfreundlicher Politik kommt diese einfache Lösung offensichtlich von der falschen Seite, um sie zu akzeptieren. Auch weil mit diesem Urteil von der Arbeiterkammer politisch ein anderes Ergebnis angestrebt wurde. Gerade der zweite Punkt offenbart, wie auch von vermeintlichen Befürwortern der Trennung von Kirche und Staat mit Religion Politik gemacht wird.

Aus laizitärer Sicht muss man nämlich kein Freund der derzeitigen Regierung sein, um die Neuregelung als gelungenen Abbau religiöser Privilegien einzustufen. Wer ein inhaltlich gutes Gesetz nicht befürworten kann oder will, weil es von der politischen Gegenseite kommt, dem fehlt die demokratische Reife, Themen auf einer Sachebene regeln zu wollen. Den Fehler, dieses Verhalten explizit zu artikulieren, machen die Gegner der Regelung natürlich nicht. Sie rechtfertigen ihre Empörtheit mit identitärer Opferpolitik und drehen die Faktenlage um 180 Grad, um Sachargumente bringen zu können. Das äußert sich in einer wilden Melange aus der Behauptung, der EuGH hätte gefordert, aus dem Karfreitag einen Feiertag für alle zu machen, und dem Vorwurf, dass einer Minderheit etwas weggenommen würde.

Weltanschauliche Neutralität

An einem Punkt wäre den Empörten bestimmt recht zu geben, würde er so eingewendet. Die Regierung hat dieses Gesetz nicht dem Impetus folgend beschlossen, eine Regelung zu finden, die ein Höchstmaß an weltanschaulicher Neutralität des Staates und individueller Selbstbestimmung der Bürger im Einklang mit Gewissensfragen ermöglichen würde.

Hätte die Regierung mit der Nichtprivilegierung von Religion argumentiert, wäre jetzt deutlich weniger Wind in den Segeln der sonst wahrscheinlich eher kirchenkritischen Empörten zu spüren. So können sie nun ein anderes Märchen erzählen, nämlich dass der Mehrheit ein vom EuGH versprochener Feiertag vorenthalten worden wäre und außerdem eine religiöse Minderheit diskriminiert würde. Beides ist falsch.

Insbesondere der letzte Punkt ist perfide und paradox. Jedes Argument der Benachteiligung nach Weltanschauung richtet sich gegen sich selbst, wenn ein neuer Feiertag aus religiösen Gründen eingeführt wird, der automatisch all jene benachteiligt, die keine Möglichkeit haben, ihre religiösen Festtage zu allgemeinen Feiertagen zu machen. Dass damit nachvollziehbares Anspruchsdenken befeuert wird, bleibt im Opferduktus auch unberücksichtigt. Warum sollten Hindus, Scientologen, Jehovas Zeugen und so weiter jetzt keinen eigenen Feiertag bekommen? Sind das keine bezugsberechtigten Minderheiten?

Minderheit für alle

Ein neuer religiöser Feiertag wäre sinnloser Treibstoff für religiös-identitäre Politik. Damit werden Opfer ohne Zahl produziert, die gar nicht benachteiligt sind. Bischof Michael Bünker monierte, dass die Regierung mit den Protestanten als Betroffenen gar nicht gesprochen hätte. Er wirkte damit in der ORF-Sendung "Im Zentrum" authentisch und ehrlich. Vermutlich ist ihm aber nicht einmal aufgefallen, dass nicht seine Kirche das Opfer ist, sondern jahrzehntelang der Nutznießer war. Die Protestanten hatten ja frei, die anderen mussten arbeiten. Es ist also würdig und recht, wenn die Befindlichkeiten der Privilegierten nicht auch noch berücksichtigt werden. Im nächsten Schritt sollten konsequent die jetzt im Konkordat normierten Feiertage abgebaut werden. (Niko Alm, 4.3.2019)