Jubel über den Freispruch nach jahrelangen Ermittlungen. Der Tierschützerprozess stürzte die Angeklagten nicht nur in finanzielle Verschuldung, er sorgte auch für politische Nachwehen – bis hin zum BVT-U-Ausschuss.

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Die Polizei nutzte ihr ganzes Arsenal: Mehr als 260 Menschen wurden beschattet und videoüberwacht, Räume verwanzt, Telefonate abgehört, Mails gelesen, und auch die befreundete Co-Aktivistin entpuppte sich später als Spitzel der Polizei. Monatelang wurde ermittelt, gefunden wurde nichts. Trotzdem holte der Staatsanwalt zum großen Schlag aus: Hausdurchsuchungen, Festnahmen, drei Monate U-Haft, und schließlich eine Anklage wegen Bildung einer kriminellen Organisation, die in umfassende Freisprüche mündete. Der Wiener Tierschützerprozess ist ein Kapitel österreichischer Justizgeschichte, das von Anbeginn an für heftige Kritik sorgte.

Repression gegen Aktivisten

Der zentrale Vorwurf damals: Der schwammig formulierte Anti-Mafia-Paragraf des österreichischen Strafgesetzbuchs werde zweckentfremdet, um unbequeme Tierschutzaktivisten mundtot zu machen. Die Angeklagten müssten sich freibeweisen, aber auch das werde ihnen durch verwehrte Akteneinsicht äußerst schwer gemacht.

Warum aber sollte die Strafjustiz ein Interesse daran haben, Tierschutzaktivismus zu verhindern? Eine Antwort darauf könnte acht Jahre nach den erstinstanzlichen Freisprüchen auch der Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre liefern. Zwar war das Bundesamt für Verfassungsschutz in die damaligen Ermittlungen nur am Rande involviert. Bezüge zur Arbeit des aktuellen U-Ausschusses gibt es aber gleich auf mehrfache Art. Zum einen wären da der Themenkomplex ÖVP-Netzwerke.

Laut internen Dokumenten des Innenministeriums fand nämlich auf Initiative von Innenminister Günther Platter (ÖVP) im April 2007 eine Besprechung der Manager der Textilkette Kleiderbauer mit Spitzenfunktionären der Polizei statt. Das Thema: Die wöchentlichen Anti-Pelz-Demonstrationen vor den Kleiderbauer-Filialen drückten aufs Geschäft, ob man da nicht etwas unternehmen könne?

ÖVP-Netzwerke im Visier

Aus den Dokumenten geht hervor, dass sich die Ansprechpartner im Ministerium äußerst entgegenkommend zeigten: Man tue, was man könne – unter anderem beabsichtige man, den unerwünschten Einkaufsstraßen-Demonstranten künftig Wega-Polizisten beizustellen, um die Tierschützer "in der Öffentlichkeit in das Licht besonders gefährlicher Demonstranten" zu rücken.War es Repression auf Bestellung der schwarzen Parteikollegen? Das behauptet zumindest Peter Pilz von der Liste Jetzt. Auch SPÖ-Fraktionsvorsitzender Kai Jan Krainer vermutet, dass "die Sicherheitsbehörden als Dienstleister für ÖVP-nahe Wirtschaftsplayer und Lobbys instrumentalisiert wurden".

Überschneidungen gibt es aber auch personeller Art. Die umstrittene Razzia im BVT am Februar 2018 fand auf Geheiß desselben Staatsanwalts statt, der auch die Tierschützer-Ermittlungen leitete: Wolfgang Handler, damals noch Mitglied der Anklagebehörde in Wiener Neustadt, ist heute der Gruppenleiter der fallführenden Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ursula Schmudermayer. Während es heute Schmudermayer ist, deren umstrittenes, von Handler abgesegnetes Vorgehen im Zuge der Razzia für Vorwürfe sorgt, war es damals Handler, der Kritik auf sich zog. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, dass er es unterlassen hatte, den Einsatz der verdeckten Ermittlerin zu genehmigen – damit hatte Handler dazu beigetragen, dass der Einsatz erst nach einigem Fortschritt der Gerichtsverhandlung ans Licht kam.

Eine weitere personelle Parallele zwischen BVT-Verfahren und Tierschützerprozess besteht in der Person der Extremismusreferatsleiterin im BVT, Sibylle G., die ja wegen der umstrittenen Razzia in ihrem Büro eine zentrale Figur im U-Ausschuss ist. G. war damals in der sogenannten "Soko Bekleidung" federführend als Ermittlerin tätig.Am Mittwoch werden zwei der später rechtskräftig freigesprochenen Angeklagten befragt: Martin Balluch, der Hauptbeschuldigte, und Chris Moser. Auch ihr damaliger Strafverteidiger Stefan Traxler soll den Abgeordneten die Abläufe des Tierschützerprozesses aus seiner Sicht schildern.

Traxler äußert im STANDARD-Gespräch im Vorfeld der Befragung seine Hoffnung, endlich Einsicht in jene Aktenbestandteile zu erhalten, die den Angeklagten während des Verfahrens verweigert worden waren. Die Polizei hatte damals trotz mehrerer rechtskräftiger Gerichtsbeschlüsse, dass diese verweigerte Einsicht rechtswidrig sei, die Herausgabe der Akten verweigert. Dass sich Traxlers Hoffnung erfüllt, scheint aber nicht allzu realistisch zu sein: Trotz mehrerer Aufforderungen haben auch die Abgeordneten im U-Ausschuss einige der verlangten Dokumente bis zum heutigen Tag nicht erhalten. (Maria Sterkl, 5.3.2019)