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Es gibt nicht viele Staaten, in denen Kandidaten für den Friedensnobelpreis im Gefängnis sitzen oder saßen – und es ist nie ein gutes Zeichen für den Zustand der Menschenrechte in diesem Land. Osman Kavala, Milliardär und Philanthrop, soll Anwärter für diesen Preis sein. Er sitzt seit über 500 Tagen in einem türkischen Gefängnis.

Ein Gericht hat nun die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einem absurd hohen Strafmaß bestätigt und will das Verfahren eröffnen: Sie fordert lebenslänglich für Kavala und 15 seiner Mitarbeiter.

Dem politisch stets zurückhaltenden Mäzen wird vorgeworfen, die Gezi-Proteste 2013 initiiert und finanziert zu haben. Angeblich soll Kavala die Pläne für einen "türkischen Frühling" bereits 2011 ausgearbeitet haben. Mit ihm im Bunde sei George Soros, Lieblingsfeind der Verschwörungstheoretiker, gewesen; dessen Open-Society-Foundation hatte die Türkei im vergangenen Dezember verlassen. Bei den Gezi-Protesten ging vor allem die junge urbane Mittelschicht auf die Straße, um gegen eine zunehmende Islamisierung zu protestieren.

Kavala wurde 1957 in Paris geboren. Er besuchte das berühmte Robert College in Istanbul und studierte später in Großbritannien und den USA Ökonomie. Nach dem Tod seines Vaters, eines Geschäftsmannes, der mit Tabakhandel einen Mischkonzern aufgebaut hatte, widmete sich Kavala zunächst dem Familienbetrieb.

2002 gründete er die Stiftung "Anadolu Kültür", die die zahlreichen Kulturdenkmäler der Türkei, von denen viele in einem sehr schlechten Zustand sind, vor der Zerstörung bewahren soll. Sie setzt sich außerdem für das vielfältige kulturelle Erbe des Landes ein, in dem neben Türken eben auch Armenier, Griechen, Kurden, Lazen und viele andere Minderheiten eine wichtige Rolle spielen. Für zahlreiche Künstler und Intellektuelle war sie deswegen ein wichtiger Anlaufpunkt.

Während der liberalen Epoche der AKP-Regierung Anfang des Jahrtausends unterstützte Kavala, der mit einer Wirtschaftsprofessorin verheiratet ist, den damaligen Premier und heutigen Präsidenten Tayyip Erdogan im EU-Annäherungsprozess. Er wies auch schon früh auf die Macht der Gülen-Bewegung hin, die Erdogan für den gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Das nützte Kavala danach allerdings wenig. Auf der Rückreise von Gaziantep, wo er ein Projekt mit dem Goethe-Institut betreute, wurde er im September 2017 verhaftet. (Philipp Mattheis, 5.3.2019)