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Im syrischen Ort Kobane führt ein kurdischer Soldat einen IS-Kämpfer aus Indonesien ab. Die Rückkehr der Jihadisten in ihre Heimatländer wirft nicht nur dort Fragen auf.

Foto: AP/Hussein Malla

Wien/Genf – Die Regierung will den konsularischen Schutz für nach Österreich zurückkehrende IS-Kämpfer streichen. Eine entsprechende Änderung des Konsulargesetzes soll am Mittwoch im Ministerrat beschlossen werden. Demnach hätten Personen keinen Schutz mehr, wenn diese die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden. "Wir werden daher diese Menschen nicht zurückholen", sagte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) der APA.

Zuständig für die Änderung ist eigentlich das Außenministerium unter Federführung von Karin Kneissl (FPÖ), das auch weitergehende Änderungen im Konsulargesetz plant. Dieses regelt grundsätzlich die Sicherstellung des Schutzes österreichischer Staatsbürger im Ausland. Umfasst sind Hilfeleistungen und Unterstützungen in Rechtsschutz- und Notsituationen, etwa die Rückführung nach Österreich. Der Schutz kann künftig aber in bestimmten Fällen abgelehnt werden.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wies die zuständige Magistratsabteilung 35 an, den Fall zu prüfen. Diese hat indessen das Verfahren zur Entziehung der Staatsbürgerschaft eingeleitet,

Staatsbürgerschaft aberkennen?

Mit den militärischen Erfolgen gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) stellt sich generell immer dringender die Frage des Umgangs mit IS-Kämpfern aus Europa oder anderen Staaten außerhalb des Konfliktgebiets. Die Rückkehr der Foreign Fighters in Länder, deren Staatsangehörigkeit sie besitzen, wird scheel beobachtet.

In den vergangenen Jahren haben daher immer mehr Länder, darunter auch Österreich, Gesetze beschlossen, laut denen Foreign Fighters die Staatsbürgerschaft entzogen werden kann. Werden diese Personen damit zu Staatenlosen?

Zwei Übereinkommen gegen Staatenlosigkeit

Nein, zwei Uno-Übereinkommen verhindern das – zumindest in allen Ländern, die, wie Österreich, diese Abkommen ratifiziert haben. Das von 91 Staaten unterschriebene Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und das von 73 Staaten signierte Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 verfolgen das Ziel, die Zahl von Menschen ohne Nationalität weltweit zu verringern.

Weltweit sind laut Schätzungen rund zehn Millionen von Staatenlosigkeit betroffen. Staatenlose – so erläutert Ruth Schöffl vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR – hätten aufgrund ihrer bürokratischen Nichtexistenz ihr Leben lang mit Einschränkungen zu kämpfen. Diese reichen vom oftmals verweigerten Schulbesuch über Erschwernisse bei der Inanspruchnahmen staatlich organisierter medizinischer Versorgung bis hin zu Problemen, ohne Papiere einen Job zu finden, zu heiraten oder grenzüberschreitend zu reisen.

UNHCR hat das Mandat

Dem UNHCR kommt im Kampf gegen die Staatenlosigkeit eine zentrale Rolle zu. Im Rahmen der Vereinten Nationen hat es das Mandat dafür, neben jenem des Schutzes von Flüchtlingen.

Zum 60. Jahrestag des ersten Staatenlosen-Übereinkommens hat das UNHCR 2004 eine zehnjährige Kampagne mit dem ehrgeizigen Ziel gestartet, Staatenlosigkeit bis 2024 weltweit zu beseitigen. Dass das einlösbar sein wird, erscheint fraglich. Doch laut Schöffl gab es international in den vergangenen Jahren gerade in Ländern mit hohen Betroffenenzahlen einige Fortschritte.

Entrechtete Frauen – staatenlose Kinder

Ein Schlüssel dazu ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen, konkret deren Recht, die eigene Nationalität an ihren Nachwuchs weiterzugeben. Überall dort, wo das verboten ist, bleiben Kinder, die unehelich oder sonst wie abseits der üblichen Familienstrukturen geboren wurden, staatenlos – in Afrika ebenso wie im Iran, in Katar, Kuwait, dem Libanon, Syrien und dem Irak.

In afrikanischen Ländern gab es hier in den vergangenen Jahren jedoch Fortschritte. Durch Familienrechtsreformen habe sich die Zahl von Ländern mit solch einschränkenden Bestimmungen zuletzt verringert, von 26 im Jahr 2017 auf derzeit 20, sagt Schöffl.

Einbürgerungen in Kirgistan und Bangladesh

Einige Verbesserungen gab es auch für Menschen, die aufgrund ethnischer Konflikte oder infolge von Staatenzerfall – etwa der Sowjetunion oder Jugoslawiens – ihre Nationalität verloren hatten. Seit 2009 wurden in Kirgisistan zehntausende ehemalige Sowjetbürger Staatsangehörige. In Bangladesch wurden seit 2008 rund 300.000 Staatenlose mit der Muttersprache Urdu eingebürgert.

Bangladesch ist gleichzeitig ein Hotspot des Staatenlosenproblems. Ein Großteil der rund eine Million sunnitischen Rohingya, denen das mehrheitlich buddhistische Heimatland Myanmar die Bürgerrechte verweigert, ist dorthin geflohen. Die Rohingya stellen die weltweit größte Gruppe von Menschen ohne Nationalität dar.

Mehrere tausend Staatenlose in Österreich

Vergleichbar große Verwerfungen gibt es in Europa nicht. In Österreich schon gar nicht: Laut Statistik Austria lebten zu Beginn 2018 hierzulande 14.573 Menschen ohne, mit ungeklärter oder mit unbekannter Staatsangehörigkeit. Bei vielen von ihnen handelt es sich um Asylsuchende oder um anerkannte Flüchtlinge.

Für Letztere wurde die Wartefrist, um eingebürgert werden zu können, zuletzt auf zehn Jahre erhöht. Ihre Staatenlosigkeit wird dadurch ein Stück länger aufrechterhalten.

Ausbürgern "kontraproduktiv"

Foreign Fighters wiederum droht in Österreich zwar die Ausbürgerung – unter Anwendung der obengenannten UN-Übereinkommen aber nur unter der Bedingung, dass sie eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen. Der bloße "Anspruch" auf eine solche, der laut einem Bericht der Online-Nachrichtenagentur Middle East Eye in Großbritannien Grundlage von derlei Ausbürgerungen gewesen sein soll, reiche nicht, sagt der Politikwissenschafter und Staatsbürgerschaftsexperte Gerd Valchars.

Die österreichische Foreign-Fighters-Regelung hält Valchars für "kontraproduktiv". Solange die Rückkehrer Österreicher seien, sei die Justiz verpflichtet, die Verfahren gegen sie zu führen – auch wegen im Ausland begangener Verbrechen.

Nach der Ausbürgerung gehe diese Zuständigkeit auf Staaten über, in denen vielleicht keine Verfahren eröffnet würden. "Ausbürgerung von Foreign Fighters erschwert deren strafrechtliche Verfolgung", sagt Valchars. (Irene Brickner, APA, 6.3.2019)