Nach dem Bericht im STANDARD wird das Netzwerk St. Josef einer Prüfung unterzogen und das Land beruft einen Runden Tisch ein.

Foto: Florian Lechner

Innsbruck – Die Schilderungen gleichen sich aufs Wort. Nach dem STANDARD-Artikel zu Missständen im Netzwerk St. Josef in Mils, einer der größten Behinderteneinrichtungen Tirols, haben sich weitere Mitarbeiter, die noch dort tätig sind, an diese Zeitung gewandt. Sie wollen damit aufzeigen, dass es sich um mehr als nur bedauerliche Einzelfälle handelt, wie das die Leitung der Einrichtung, die vom Orden der Barmherzigen Schwestern in Zams betrieben wird, darstellte. Es kranke am System selbst.

Nun reagiert auch das Land Tirol auf diese Vorwürfe. Wie die Tiroler Tageszeitung berichtet, hat die Aufsichtsbehörde eine "anlassbezogene Prüfung" des Heimes in Mils angeordnet. Die zuständige Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) bestätigt dies auf Nachfrage und ergänzt, dass man auch einen runden Tisch plane. Dort wolle man zusammen mit den Institutionen, die für die Kontrollen in Heimen zuständig sind, eine bessere Koordination dieser Tätigkeiten erarbeiten. "Wir haben hier unterschiedliche Gremien, die aber keine korrespondierenden Gefäße sind" , erklärt Fischer die Idee dahinter vage. Sie spricht vom Problem teils überbordender Kontrollen.

Kontrollen nicht koordinierbar

Erich Wahl von der Bewohnervertretung, die Kontrollen hinsichtlich freiheitsbeschränkender Maßnahmen in Heimen durchführt, kann sich zwar grundsätzlich für einen solchen runden Tisch erwärmen, um sich auszutauschen. Zugleich stellt er klar, dass das Ziel aber keinesfalls die Koordinierung der Kontrollen sein kann. "Unsere Besuche richten sich nach Meldungen, die wir erhalten, oder finden unangekündigt statt. Davon können und werden wir auch nicht abrücken", erklärt er. Zuletzt hatte die Wirtschaftskammer, die sich für die Betreiber von Heimen starkmacht, überbordende Kontrollen in Heimen kritisiert.

Gemäß den Schilderungen der Mitarbeiter aus Mils gegenüber dem STANDARD sind es auch nicht die Kontrollen von außen, sondern vielmehr der Kostendruck von innen, der eine qualitätvolle Arbeit für sie so schwer mache, weil es schlichtweg an den nötigen Ressourcen und Personal fehle. Das beginnt schon bei der Bezahlung. Denn im Pflegebereich gelten je nach Träger der Einrichtung unterschiedliche Kollektivverträge. Im Fall des Heimes in Mils ist es jener für konfessionelle Träger. Der bedeutet aber für die Angestellten eine Schlechterstellung im Vergleich zum öffentlichen Bereich. "Wir arbeiten aufs Jahr gerechnet zwei Wochen mehr und verdienen dafür weniger", bringt ein Beschäftigter, der anonym bleiben will, die frustrierende Situation auf den Punkt.

Land zahlt ab 2020 Differenz

Die Gewerkschaft weiß um diese Ungleichbehandlung, wie der Tiroler ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth bestätigt. Ab 2020 gibt es nun zumindest für Tirol eine Lösung: "Das Land wird einspringen und die Differenz übernehmen, sodass es für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn gibt." Die Kosten dafür werden sich auf fünf Millionen Euro jährlich belaufen.

Experten aus dem Behindertenbereich, wie Volker Schönwiese, hoffen, dass die grüne Soziallandesrätin in Mils "nicht nur alibimäßig tätig wird", sondern echte Veränderungen einfordert. Die dafür nötigen konkreten Maßnahmen lägen ihr mit dem Tiroler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sogar schriftlich vor. So wie es auch die Beschäftigten beschreiben, werden darin strukturelle Ursachen für die Missstände genannt. (Steffen Arora, 5.3.2019)