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Soziale Netzwerke seien kein Paralleluniversum, sondern Teil des studentischen Lebens auf dem Campus, betonen Experten. Unis sollten das thematisieren und berücksichtigen.

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"Manchmal macht es einfach Spaß, sich wild aufzuführen und 100 Frauen zu vergewaltigen." Dies ist nur eine Nachricht aus einer Chatgruppe, in der sich Studenten der University of Warwick regelmäßig austauschten. Das Wort "Rape" findet sich in dem Chat insgesamt 19-mal. Beispielsweise in der Antwort auf die zitierte Nachricht: "Man sollte die ganze Wohngemeinschaft vergewaltigen, um ihnen eine Lektion zu erteilen." Darauf reagierte ein Chatteilnehmer mit einem Herz-Emoji.

Erstmals veröffentlicht wurden Screenshots der Gruppe im Mai 2018 in der Studentenzeitung der britischen Universität. In dem Chat werden Namen von Studentinnen genannt. Die Zeitung übermittelte 89 Screenshots mit einer Beschwerde an die Universität. Aber deren Reaktion machte die Angelegenheit nicht besser.

Zehn Jahre suspendiert

Zunächst wurden zwei Chatteilnehmer für zehn Jahre vom Campus suspendiert. Diese legten dagegen allerdings Berufung ein und bekamen recht. Sie sollten Ende des Jahres an die Uni zurückkehren dürfen. Auf dem Campus sorgte das für enorme Aufregung. Eine im Chat genannte Frau outete sich in den Medien und beschrieb, wie groß ihre Angst sei, weiterhin auf dem Campus zu arbeiten und zu studieren. Wenige Tage später dann eine neue Entwicklung: Die Studenten würden nicht an die Uni zurückkehren, hieß es. Allerdings dürfte das auf deren eigenen Wunsch geschehen und nicht wegen einer disziplinären Maßnahme der Hochschule.

Hunderte Studierende zogen in der ersten Februarwoche daher über das Campusgelände. Die Unzufriedenheit damit, wie die Uni auf die – nicht nur frauenfeindlichen, sondern auch rassistischen und antisemitischen – Nachrichten reagierte, war groß. "Warwick akzeptiert Rape-Culture" war dort auf Schildern zu lesen oder auch "Sexuelle Belästigung geht uns alle etwas an" und "Unterrichtet Liebe und nicht Vergewaltigungen".

Umgang mit Social Media

Der Vorfall in Warwick rückt nicht nur die Frage ins Zentrum, wie Hochschulen mit (angedrohter) sexueller Gewalt und sexueller Belästigung umgehen, sondern auch wie problematisch der Umgang mit sozialen Netzwerken auf dem Unicampus sein kann.

Das thematisierte Anfang des Jahres eine andere britische Uni: Die De Montfort University in Leicester hatte Mitte Jänner für fünf Tage alle Aktivitäten auf Social-Media-Kanälen eingestellt. Vizerektor Dominic Shellard sagte dazu: "Ich war wirklich erstaunt, welch negativen Einfluss das extreme Nutzen von Social Media auf die psychische Gesundheit der Studierenden hat."

Dass das Digital Detox am 16. Jänner begann, ist kein Zufall. Der Tag ist als "Blue Monday" bekannt und soll der deprimierendste Tag des Jahres sein. Die Message: Zu exzessiver Gebrauch von Social Media kann sich negativ auf das Wohlbefinden von Studierenden auswirken. Die, so die Wunschvorstellung der Uni, sollten öfter selbst Digital Detox einlegen und Instagram, Facebook, Twitter, Snapchat und Co ignorieren.

Psychische Probleme durch Social Media

Daten zu der in Leicester geäußerten Vermutung, dass psychische Probleme unter Studierenden zunehmen und durch zu viel Social Media hervorgerufen werden, gibt es in den USA. Aus einer großangelegten Studie – befragt wurden 450.000 Studierende von 452 Hochschulen – geht zumindest Ersteres hervor. Diagnosen bzw. Behandlungen von Angstzuständen sind demnach zwischen 2009 und 2015 von neun auf 15 Prozent gestiegen. Bei Depressionen kletterte die Zahl von neun auf zwölf Prozent.

Ob sich die psychische Gesundheit tatsächlich verschlechterte oder sich Studierende im Vergleich zu 2009 öfter melden und behandeln lassen, wird nicht beantwortet. Daniel Eisenberg, Professor für öffentliche Gesundheit an der University of Michigan, mutmaßt, dass es am "noch immer steigenden Gebrauch von Social Media" liegen könnte.

Andere Experten stimmen zu und betonen, dass Aktivitäten auf diesen Kanälen auch von Unis ernst genommen werden müssen. Die Plattformen seien kein Paralleluniversum, sondern Teil des Campuslebens. (Lara Hagen, 8.3.2019)